Oder auch: Wer bin ich als Frau – hier, heute?

Ein Gastbeitrag von Bloggerin Conny Kubinger

Keine Sorge, das hier wird fix keine anstrengende Gender-Streitschrift. Ich finde nämlich, dass dieser ganze Gender-Kampf oft ein ziemlicher Krampf ist. Wir (Frauen) gegen die (Männer). Also ja, das erspar’ ich uns. Ich glaube vielmehr – wie in so vielen Bereichen des Lebens, dass die Antwort darin liegt, das vorzuleben, von dem man gerne mehr hätte, so im Sinne von “Be the change you want to see in the world.“ Oder auch: Leading by example.

Ich hab mich zeit meines Lebens eigentlich selten bewusst als “Frau“ wahrgenommen, sondern eher generisch – als “Mensch“. Duh. Ich weiß, das klingt jetzt deppert, ist aber so. So wie – ok das bin ich, das ist meine Persönlichkeit, fertig, da steh ma! Aber irgendwann im 2018er kam mir der Gedanke – hm, wer bin ich jetzt eigentlich als Frau? Was macht mich in/mit meiner Weiblichkeit aus, welche Frauen bewundere ich und wieso und wie kann ich mich und meine weibliche Seite mehr leben? Zuerst dachte ich, dass ich mit dieser Frage mal wieder zu den absoluten Spätzündern gehöre, aber in diversen Gesprächen mit Geschlechtsgenossinnen (auch aus meiner Kohorte) erkannte ich, dass diese Frage doch viele von uns beschäftigt. Es ist ja auch kein Wunder. Das Frauenbild in unserer Gesellschaft ist konstruiert bis dorthinaus. Und bis man das begreift und das Ganze mal für sich hinterfragt, dauert es halt ein paar Jahre. (Oder auch ein paar mehr.)

Schaut man sich auf Instagram ein bisschen um, kommt man binnen 5 Minuten zu der Erkenntnis, dass Schönheit, Jugendlichkeit und Fitness die Wertbemessungsattribute der Stunde sind. Ich habe jetzt vor ein paar Wochen mal ein paar von den Kardashians abonniert, weil ich mich mit dem Instagram’schen Schönheitsideal ein bisschen auseinandersetzen wollte. Kendall Jenner postet da vom Schiurlaub in Aspen einen Shot, in dem sie nur mit Fellmütze, Schischuhen und Bikini bekleidet im Schnee steht. Ist relativ gut angekommen (über 7,6 Mio. Likes) – auch bei ihrer Schwester Kourtney Kardashian, die kurz darauf einen ähnlichen Bikinishot veröffentlichte. Allerdings bekam die nur 4,6 Mio. Likes, und das obwohl sie als Draufgabe zusätzlich ihren quasi-nackten Arsch zeigte. Tja. Aber das Krasseste sind dann die Kommentare. zero_omw schreibt z.B. “Stop showing the flat earth ass I don’t even think she’s a kardashian that shit is too flat, where all my flat earthers at“, woraufhin ihn ivonne13 dankenswerterweise aufklärt: “that’s cuz she never got hers done lmaooo thats ‚before‘ ass hahahaha“. Da geht’s zu. Body-shaming nebst Age-shaming, sonstigen Verurteilungen, Lobesbekundungen und jeder Menge Pfirsich- und Feuer-Emojis. Gut, könnte man sagen, wenn du dich als Objekt präsentierst, dann musst du auch damit leben können, dass du als solches be-wert-et wirst. Bei einem Tisch sag ich ja auch, nein die Füße schau’n irgendwie komisch aus, das Holz ist schirch, oder die Platte wirkt billig. Eine simple Analyse der Einzelteile halt. [voiceover: Is this the best a woman can get? Is it?]

Zum Glück habe ich mich nie über mein Aussehen definiert. Als ich mit 16 im Familienurlaub auf Gran Canaria mit Miguel, dem damals 34-jährigen Resort-Animateur, in einer Diskothek in Playa del Inglés war, meinte er zu mir: „Du bist vielleicht nicht die Schönste in dem Club, aber du bist mit Abstand die Sympathischste.“ Das war eine sehr ok-e Meldung für mich. Ich wusste immer, ich bin ganz hübsch, aber auf eine uneinschüchternde Art und Weise. Es ging immer mehr um meinen Charakter, und das fand ich gut. Natürlich müsste ich jetzt lügen, wenn ich sagen würde, mein Aussehen wäre mir komplett egal. Eh klar. Welcher Frau ist ihr Aussehen schon wurscht, wenn einem quasi mit der Muttermilch eingeflößt wird, dass Frauen schön sein müssen…

Schön, jung und fit.

Und wenn man’s nicht von Haus aus ist, kann man ja künstlich nachhelfen. Schönheits-OPs oder kosmetische Eingriffe sind mittlerweile so weit verbreitet, da redet man nicht mal mehr drüber. Das Ding ist aber halt auch – das Schönheitsideal ändert sich in regelmäßigen Abständen. Wenn du da jedes Mal herumdokterst an dir, nur um dich dem neuen Trend anzupassen, wirst auch alt. In meinen Teenager-Jahren waren z.B. große Brüste und ein kleiner Arsch angesagt, und überhaupt war’s gut, möglichst dünn zu sein. Dünn ist zwar immer noch en vogue (wobei man nicht mehr ganz so dünn sein muss), aber der Hintern soll mittlerweile überproportional groß und kugelrund sein, und wird immer häufiger mit Silikonimplantaten ausgestopft. Das wäre in den 90ern oder frühen 00er-Jahren überhaupt niemandem eingefallen. (Mir würd’s heute noch nicht einfallen.) Aber auch interessant einfach, wie so ein Schönheitstrend entsteht: Da sind kleine Ärsche „in“, und plötzlich kommt eine Jenny from the Block, die ihren nicht-kleinen Allerwertesten stolz zur Schau trägt. Und da es „anders“ ist, wird’s öffentlichkeitswirksam kommentiert. Der Po wird zu ihrem Markenzeichen, und immer mehr Leute finden plötzlich große Ärsche gut. Oha. Ein paar Jahre später erscheint Nicki Minaj auf der Bildfläche. Spätestens jetzt sind Aussagen wie „Dein Hintern ist zu dick“ obsolet.

Gut, die Pornoindustrie hat diese Entwicklung auch frühzeitig aufgegriffen und propagiert. Der Einfluss der Pornos auf das gängige Frauenbild ist ohnehin gigantisch. Immer mehr Frauen entscheiden sich für eine „Designer-Pussy“, weil es selbst im Intimbereich jetzt schon eine Schönheitsvorlage gibt, der frau entsprechen will. Da sollte alles sehr jungfräulich und jugendlich (kindlich?) aussehen, am besten so wie bei einer 10-Jährigen. 2017 ließen sich knapp 140.000 Frauen weltweit ihre Schamlippen abschneiden. Als ich neulich mit einer Freundin über dieses Thema sprach, meinte sie: „Es ist schon ein Wahnsinn – da kämpfen Frauen jahrzehntelang gegen die Genitalverstümmelung, und jetzt entscheiden sich viele freiwillig dafür.“ (Please let that comment sink in.)

Ich halte vaginales Empowerment für ehrlich wichtig

Ich mein’ im Gegensatz zu Vaginen sind Penisse ja tatsächlich omnipräsent [We can’t hide from it.]: Als Graffiti an Hauswänden, auf Schulbänken, auf staubigen Fenstern, eingeschneiten Motorhauben, Snapchat… Ich habe auf Snapchat in den letzten Monaten so viele Dick Pics bekommen, dass ich eine ganze Ausstellung damit kuratieren könnte. Und ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie identitätsstiftend sein Penis für einen Mann ist, wie sehr Männer oft ihre Männlichkeit darauf fokussieren (reduzieren) und wie intensiv sie sich mit ihrem Geschlechtsteil befassen und auseinandersetzen. Und es entspringt jetzt sicherlich nicht meinem (unbewussten) Penisneid (#Freud), wenn ich sage, dass wir Frauen uns da durchaus etwas vom geni(t)allen Selbst-bewusstsein vieler Männer abschauen können. Vagina Art und so. (You go girl!)

Selbstbewusstsein braucht’s jedenfalls auch, um zu sich und der eigenen Sexualität zu stehen, die eigenen Grenzen zu kennen, zu respektieren und zu artikulieren. Mich hat neulich ein Typ gefragt, ob ich Deepthroating könne. Ich habe ihm darauf geantwortet, dass mich der Würgereiz absolut nicht antörnt und ich ungern bei Oralsex kotze. End of story. Aber dann stelle ich mir vor, ich bin 18, und steh auf diesen Typen und der erwartet das von mir, weil das ja alle so machen in den Pornos. Vermutlich wäre ich schwer verunsichert und würde mich minderwertig fühlen, weil ich das nicht „kann“. Aber wie gestört das eigentlich ist, hinterfragt das bitte mal jemand? Ich glaube einfach, dass es immer mehr Leute gibt, die sich nicht wirklich „spüren“, weil sie aufgrund der ganzen Bilderflut im Wesentlichen damit beschäftigt sind, irgendwelchen externen Anforderungen (Bildern) gerecht zu werden. Pornos nachstellen statt die eigene Sexualität zu erforschen. Aber hey, was willst du sein? Ein Objekt? Oder ein SubjektDas Objekt ist passiv, das Subjekt aktiv. Das mal so in den Raum gestellt. Ich lebe mein Leben vs. Mein Leben lebt mich. (Bissl eine Grammatikkenntnis zahlt sich aus!)

Ich für meinen Teil bewundere jedenfalls Frauen, die sich selbst als Subjekt leben, die „ihr Ding“ machen und mit ihrer Energie und ihrem Schaffen eine positive Wirkung auf andere haben. Andere empowern. Brené Brown ist für mich eine dieser Frauen. Lady Gaga. Anna Akana. Realness ist einfach so derart wichtig, da geht nichts drüber. You doing you. Und es geht auch nicht um schöner, erfolgreicher, besser, leiwander, sexier,… – den Komparativ kann man einfach mal getrost vergessen. Der ganze Ellbogen-Firlefanz bringt uns nämlich alle nicht weiter. Wenn jemand was Geiles macht: MEGA! Anstatt dann die Neid-Keule zu schwingen oder sich in Judgmentalism zu üben, tut man gut daran, Schritte zu setzen, um selber mehr zu dem/der zu werden, der/die man sein will. Und das Sakralchakra aktivieren.

Achso und die Frage, wer ich als Frau bin. Ich weiß nicht, ob das tatsächlich so wichtig ist. Primär will ich mich selbst als Subjekt leben, „mein Ding“ machen und mit meiner Energie und meinem Schaffen eine positive Wirkung auf andere haben. Eine coole Oide sein einfach. Over and out.

Conny Kubinger ist freiberufliche Musikerin und Bloggerin. Bevor sie sich Vollzeit für die künstlerisch-kreative Selbstverwirklichung entschieden hat, war sie mehrere Jahre lang Englischlehrerin. Auf ihrem Blog schreibt sie unter anderem über ihre Gedanken, die sie tagtäglich beschäftigen und greift Themen rund um Feminismus, Empowerment, Social Media und Musik auf.