Tränen trocknen, Haare beim Kotzen zurückhalten, Tampon zustecken: all das mit zunächst völlig Unbekannten. Diese Welt der Liebe existiert offenbar nur am Frauenklo. Aber warum ist das so? Wir haben bei einer Psychologin nachgefragt.

Pinkeln, Tampon leihen, Lippenstift nachziehen. Am Ende geht es auf dem Frauenklo doch um was anderes.

Sie blieb bis meine Tränen getrocknet waren

Heulend stürzte ich auf die Clubtoilette, wo ich mich in einer Kabine übergab. All meinen Kummer und die Flasche billigen Rotwein schüttete ich dort aus. Da war sie, und hielt mir die Haare, reichte mir Toilettenpapier um meinen Mund und die Tränen zu trocken. Ich brauchte nicht viel zu sagen. Sie wusste, dass mir soeben ein Typ das Herz gebrochen hatte. „Er ist es nicht wert“, sagte sie. „Vergiss den Typen“, sagte sie. „Wer braucht schon so einen Scheißkerl. Du bist viel besser, ohne ihn dran.“ Sie blieb, bis meine Tränen getrocknet waren.

Wir umarmten uns, verließen die Toilette und gingen fortan wieder getrennte Wege, so als hätte dieser innige Moment nie stattgefunden. So als wäre die Toilette eine Art Paralleluniversum, indem wir beste Freundinnen waren. Klo-Momente wie diese ziehen sich durch unser Leben. Die Clubtoilette ist der Ort, wo Fremde für einen kurzen Moment zu Freundinnen werden. Ein Safe-Space, wo sich Frauen gegenseitig empowern, Trost spenden oder einfach nur herzlich ablachen. Die Welt wäre wohl eine bessere, würde die geheime Etikette des Damenklos überall gelebt werden. Aber warum ist das so? Wir haben bei der Psychologin und Psychotherapeutin Mag. Christa Schirl nachgefragt.

Die Clubtoilette wird zum Safe-Space der Frau

Die bestätigt uns, dass dieses Phänomen vor allem auf Clubtoiletten oder Skihütten stattfindet. Denn „während wir auf der Flughafentoilette schnell zum Gate müssen, oder im Büroklo keine Schwäche zeigen wollen, herrscht auf Freizeittoiletten ein ungehemmterer Umgang„, erklärt uns die Psychologin. Dann ist die Toilette „so ein Safe-Space, ein Paralleluniversum, wo man ganz schnell ins Gespräch kommt“. Auf Clubbings oder auf Skihütten hat man es nicht eilig. Verbindende Elemente sind die Musik, das Skifahren und dass man ganz dringend Pippi muss.

Das Gespräch beginnt bereits in der Schlange, wie „coole Skijacke“ oder „toller Lippenstift“. „Wir sind entspannter, daher sind wir auch offener für andere und bekommen mit, wenn jemand verzweifelt nach seinem Lippenstift sucht und bieten Hilfe an“, so Christa Schirl. Während Männer ihr Geschäft auf öffentlichen Orten so schnell wie möglich hinter sich bringen, scheinen Frauen gerade dort das „aufs Klo gehen“ zu zelebrieren. Und das on top in Gesellschaft. Denn nur allzu gern nehmen wir uns mit der BFF eine kleine Auszeit auf dem Klo. Sitzt die Frisur? Lippenstift nachziehen. An so manchen Clubabenden scheint auf der Damentoilette die in Wahrheit bessere Party zu laufen. Das bestätigt uns auch die Psychologin. „Oft ist es so, dass aus einem zweier Gespräch eine richtig lustige Runde wird.“ Und all das fernab der Männer.

Am Frauenklo herrscht ein höherer Verhaltenskodex

„Die Toilette ist ein intimer Space. Man kommt in einen Bereich, wo nur Frauen sind. Und das macht natürlich, was aus, weil eine Frauengemeinschaft was anderes ist, als wenn man die mit Männern teilt“, so Schirl. „In der Damentoilette ist man nicht mehr dem sexualisierten Blick der Männer ausgesetzt. Man lässt dann auch seinen Gefühlen einen freieren Lauf.“ Wir werden ja auch nicht heulend an der Bar stehen bleiben. Brauchen wir einen Moment für uns, ziehen wir uns auf das Damenklo zurück. „In der Regel sind dort weniger Menschen, wir sind in einem geschützten Space, wo wir auch besser supporten oder Trost geben.“ Der kaputte Ohrring, der Drink am Top und das Gefühlschaos lässt sich eben besser in der Intimität der Toilette regeln.

Solche Klo Momente erwecken den Eindruck, es herrsche ein höherer Verhaltenskodex. Denn an keinem anderen Ort sind Frauen so nett zu anderen Frauen. Das Frauenklo ist eine Art bessere Parallelwelt, in der man selbst der Erzfeindin ein Tampon reicht oder sie darauf aufmerksam macht, dass der Rock in der Hose steckt. So generalisieren liese sich das nicht, meint Schirl. „Wenn um einen Mann gebuhlt wird, werde ich die Nebenbuhlerin nicht auf den Lippenstift an den Zähnen aufmerksam machen. Aber generell kann man sagen: je intimer ein Space ist, umso vorsichtiger geht man miteinander um. Da reden wir von gesunden Persönlichkeiten.“ Beim Pinkeln sind wir also alle gleich. Das ist schön und auch traurig zugleich. Denn während es toll ist diesen Safe-Space unter Frauen zu haben, ist es doch auch schade, dass wir ihn offenbar so dringend benötigen.