Selbst europaweite Proteste und Kritik von Experten konnten nicht aufhalten, was für viele Gegner das Ende der Internetfreiheit bedeutet: Artikel 17 (vormals Artikel 13) der EU-Urheberrechtsreform. Demnach müssen kommerzielle Plattformen, die nutzergenerierte Inhalte veröffentlichen, sicherstellen, dass dabei keine Urheberrechte verletzt werden. Das soll in Zukunft durch sogenannten Uploadfiltern geregelt werden. 

Insgesamt 19 Staaten haben der EU-Richtlinie zugestimmt, darunter auch Deutschland und Österreich. Sechs EU-Länder haben dagegen gestimmt, drei enthielten sich ihrer Stimme ganz. Nachdem die geplante Urheberrechtsreform im EU-Parlament mehrheitlich angenommen wurde, haben die Regierungen nun zwei Jahre lange Zeit, die Reform auch im jeweiligen nationalen Recht des Landes umzusetzen.

Während Befürworter sich durch die Reform einen fairen Austausch zwischen den verschiedenen Plattformen und Urhebern erhoffen, geben Kritiker zu bedenken, dass die Richtlinie die Meinungsfreiheit und das freie Internet bedrohen könnte. Rechtsanwalt Markus Dörfler ist unter anderem auf die Themenbereiche Internet, Urheberrecht und Datenschutz spezialisiert. Wir haben nachgefragt, was eigentlich durch die neue Richtlinie auf uns zukommt.

Was regelt der Artikel 17 des neuen EU-Urheberrechts?

Inhalte, die auf Plattformen wie Instagram, Facebook & Co hochgeladen werden, wurden bislang nur minimal durch technische Mittel auf ihre Urheberrechte überprüft. Das hatte zur Folge, dass urheberrechtlich geschützte Werke teilweise auch ohne Einwilligung des Urhebers verbreitet werden konnten. Dennoch hat der Urheber bei solchen Verstößen Ansprüche auf angemessenes Entgelt und kann Schadenersatz- und Unterlassungsansprüche geltend machen.

Die in Artikel 17 vorgesehenen Uploadfilter sollen in Zukunft schon im Vorfeld verstärkt verhindern, dass urheberrechtlich geschützte Werke von Unbefugten im Internet verbreitet werden. „Artikel 17 regelt die Frage, unter welchen Voraussetzungen wie, warum und wieso ein Inhalt hochgeladen werden kann oder nicht“, so Dörfler. „Der Uploadfilter macht nichts anderes, als dass er bei jedem hochgeladenen Inhalt prüft, ob es sich um ein urheberrechtlich geschütztes Werk, das bereits durch jemanden lizensiert ist, handelt.“

Während Uploadfilter auf der einen Seite zwar die Rechte von Urhebern besser schützen sollen, sehen viele die Freiheit des Internets dadurch bedroht. Uploadfilter sind nämlich noch nicht so genau programmiert, dass jeder Inhalt richtig eingeordnet werden kann. Das könnte vor allem hinsichtlich der Einschränkung der Meinungsfreiheit zu massiven Problemen führen.

Inwiefern betrifft mich als User die Einführung von Uploadfiltern?

Uploadfilter werden sich auf unser virtuelles Leben auswirken, weil nicht mehr alle Inhalte von uns hochgeladen werden können – selbst jene, die eigentlich gar nicht gegen Urheberrechtsverletzungen verstoßen würden. Denn aus Angst vor Sanktionen würden Plattformbetreiber von Inhalten künftig „lieber zu viel wegschneiden, als zu wenig“.

Das könnte in großem Ausmaß zum Beispiel vor allem Memes oder Parodien betreffen, denn ein Algorithmus ist aus heutiger Sicht nicht im Stande Sarkasmus zu erkennen. Markus Dörfler ist sich sicher, dass sich das auch in den nächsten 10 bis 15 Jahren nicht ändern wird.

Uploadfilter: Deshalb bedrohen sie die Meinungsfreiheit

„Wenn ich einen Politiker parodiere, Zitate aus Filmen urheberrechtlich korrekt zitiere oder mich satirisch über etwas äußere, stellt sich die Frage: Darf ich das? Das ist etwas, das kein Uploadfilter entscheiden kann. Juristisch gesehen dürfte ich es. Aber Uploadfilter werden das blockieren und eine Urheberrechtsverletzung anzeigen – und das ist ein Eingriff in die Meinungsfreiheit“, so Dörfler. Experten und Kritiker weisen darauf hin, dass durch die Kontrolle von hochgeladenen Werken das Urheberrecht über das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gestellt wird.

Der UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit David Kaye meint, dass Europa zwar die Verantwortung habe, sein Urheberrechtsgesetz zu modernisieren, um den Herausforderungen des digitalen Zeitalters zu gerecht zu werden. Dennoch dürfe dies nicht auf Kosten der Meinungsfreiheit geschehen. Außerdem gibt er zu bedenken, dass sich teure Uploadfilter nur wenige Plattformen leisten könnten. Das hätte zur Folge, das kleinere Akteure den Anforderungen nicht gerecht werden könnten und daher schließen müssten.

Das führt längerfristig zur Einschränkung der Informationsvielfalt sowie zunehmender Medienkonzentration. „Ein falsches Vertrauen in Filtertechnologien, um differenziert zwischen Urheberrechtsverletzungen und rechtmäßiger Verwendung von geschütztem Material zu unterscheiden, würde Fehlerrisiken und Zensur erhöhen.“, so Kaye, 

Rechtsanwalt Markus Dörfler betont, dass die Meinungsfreiheit eine der zentralen Stützen unserer Demokratie darstelle, in die durch Uploadfilter eine Kerbe geschnitten wird. „Und wann immer ich eine kleine Kerbe aus dieser Stütze schabe, wird diese Stütze geschwächt. Die Frage ist: Was kommt als nächstes?“, gibt Dörfler zu denken, „Denn die Meinungsfreiheit ist wichtig. Und zwar wirklich, wirklich wichtig“.

Kann die Einführung von Uploadfiltern noch verhindert werden?

Ob und inwiefern Uploadfilter unsere Meinungsfreiheit beeinflussen, wird wohl erst klar sein, wenn diese tatsächlich eingesetzt werden. Noch gibt es allerdings eine kleine Chance, dass Uploadfilter gar nicht erst eingeführt werden. Denn die Richtlinie wurde bislang nicht durch den Europäischen Gerichtshof, die oberste rechtliche Instanz der EU, geprüft. Laut Dörfler würden einige schon in den Startlöchern stehen, um Artikel 17 der neuen Richtlinie vor den Europäischen Gerichtshof zu bringen. „Ich bin mir nicht sicher, ob die Uploadfilter einer Überprüfung durch den EuGH standhalten“, fügt der Rechtsanwalt hinzu.