Es ist wieder Zeit für eine Runde Oscar-Watching! Dieses Mal haben wir uns die wohl größte Überraschung unter den Nominierten für „Bester Film“ angesehen: „Top Gun: Maverick“. Denn mit einem Action-Sequel in der Top-Kategorie haben wir wirklich nicht gerechnet.

Aber hat der Film diese Nominierung denn eigentlich verdient?

War „Top Gun: Maverick“ der beste Film 2022?

Wenn ihr an Oscar-Filme denkt, was kommt euch dann als erstes in den Sinn. Dramen, historische Filme oder doch die beliebten Biopics? Sie alle wurden in den vergangenen Jahren schon mit dem ein oder anderen Oscar ausgezeichnet. Denn die Academy scheint die großen Dramen und historischen Filme zu lieben (ganz besonders, wenn dafür ein Star auch noch eine extreme Transformation durchmacht, wie Austin Butler 2022 als Elvis).

Was bei den Oscar-Nominierungen bisher eher wenig Beachtung fand waren jedoch die großen Action-Blockbuster, die für uns den Kinosommer füllen. Zumindest bis im Jahr 2023. Denn neben einigen Dramen, historisch-angelehnten Filmen und Biopics schafft es heuer auch ein Action-Blockbuster in die Riege der Nominierten. Und zwar ausgerechnet „Top Gun: Maverick“. Eine Überraschung auf zwei Arten: denn nicht nur sind derartige Action-Blockbuster selten; Sequels mochte die Academy bisher auch eher weniger. Bisher wurden nur „Godfather II“ (1974) und „Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“ (2203) mit einem Oscar als bester Film ausgezeichnet.

Tom Cruise feiert sich selbst

Aber wie genau hat es dann bitte ein Film über die Navy in diese Riege geschafft? Um ehrlich zu sein: auch wir waren überrascht, als die Oscar-Nominierungen verkündet wurden und „Top Gun: Maverick“ gleich sechs Mal nominiert wurde. Denn neben Filmen, die sich mit dem Grauen des ersten Weltkrieges oder dem Thema Missbrauch gegen Frauen auseinandersetzen, ist so ein Tom Cruise Streifen, der Kriegsflugzeuge verherrlicht nicht gerade das, was wir erwartet haben.

Aber zurück zum Anfang: In „Top Gun: Maverick“ geht es um die besten Kampfjet-Piloten der Navy, die eine nahezu unmögliche Mission meistern müssen. Doch sie bekommen einen legendären Lehrer zur Seite gestellt: Maverick (gespielt von Tom Cruise), der seit 30 Jahren die unmöglichsten Missionen für die Navy fliegt. Er soll sich aus dem Pilotenleben zurückziehen und die nächste Generation ausbilden. Da wären nur zwei Probleme: zum einen hat Tom Cruise noch lange nicht genug vom Fliegen, zum anderen muss er Rooster (Miles Teller) ausbilden, den Sohn seines Freundes „Goose“, der im ersten „Top Gun“-Film verunglückte. Und Rooster macht Maverick bis heute für den Tod seines Vaters verantwortlich.

Anstrengende Action-Szenen statt tiefgründige Dialoge

Klingt nach einer ziemlich seichten Handlung? Ist es auch! Denn wer bei „Top Gun: Maverick“ auf tiefgründige Gespräche hofft, sitzt definitiv im falschen Film. Hier geht es um laute und schnelle Flugzeuge, dramatische Kriegsmissionen und klassische Actionfilm-Klischees vom Showdown zum Lebensretter, die das Dasein eines Kampfjet-Piloten niemals auch nur ansatzweise hinterfragen.

Die Fortsetzung punktet stattdessen mit Action-Aufnahmen, für die die Schauspieler:innen extreme Leistungen vollbracht haben. Denn wann immer man einen der Stars im Jet sieht (und das ist ziemlich oft!), sitzen sie tatsächlich in einem Flugzeug und setzen sich extremer Geschwindigkeit und den g-Kräften aus. „Wir haben mit der Navy und der Top-Gun-Schule zusammengearbeitet, um herauszufinden, wie man es praktisch drehen kann“, erklärt Tom Cruise in einem Behind The Scenes Video. „Denn wenn wir es machen wollen, müssen wir mit den F-18 fliegen.“

Die Aufnahmen, die im Kampfjet stattfanden, wurden außerdem von den Schauspieler:innen selbst bedient. Sie waren für die Aufzeichnungen der im Jet befestigten Kameras zuständig und wählten die Beleuchtung aus.

Wie aus „Top Gun: Maverick“ ein Riesenhype wurde? Dank einer Oben-ohne-Szene!

Die Nominierungen für die besten Visual Effects, den besten Sound und den besten Schnitt sind damit allesamt gerechtfertigt. Schließlich zieht „Top Gun: Maverick“ einen hinein in einen Kampfjet. Aber exzessives Training und laute Kampfjet-Sounds machen noch lange keinen „Besten Film“ aus, oder?

Doch da ist noch ein Aspekt, der diese Fortsetzung wirklich in die Reihe der besten Filme aller Zeiten hinaufhebt: der Hype. Denn kaum ein Film hat in den vergangenen Jahren für so viel Aufsehen und Aufregung gesorgt wie „Top Gun: Maverick“. Der Film spielte international nicht nur mehr als eine Milliarde Dollar ein, sondern bekam auf Rotten Tomatoes auch einen nahezu perfekten Score von 96 Prozent. Wochenlang war dieser Film das Thema Nummer eins in den Sozialen Medien. Alleine auf Tiktok hat der Hashtag #topgunmaverick heute 3,7 Milliarden Aufrufe. Und neben dem Nostalgie-Faktor und dem Tom-Cruise-Faktor muss man für diesen Hype wohl vor allem einem danken: Miles Teller.

Denn auch, wenn der Film ganz klar Tom Cruise in den Fokus als Helden stellt, das Internet hatte da andere Pläne und sorgte mit einer Oben-ohne-Strandszene von Miles Teller für eines der viralsten Videos des vergangenen Jahres – und im Umkehrschluss wohl für jede Menge Nutzer:innen, die ins Kino liefen um die legendäre Strandszene auf der großen Leinwand (und im Idealfall in 3D) zu sehen. Welche enorme Macht diese Trends hatten, sah schließlich auch Miles Teller selbst. Denn obwohl er in den Sozialen Medien nicht aktiv ist, betonte er gegenüber „Entertainment Tonight“: „Es ist großartig. Wenn es Leute ins Kino bringt oder, ich weiß nicht, vielleicht ein paar neue Fans für mich gewinnt? Das ist alles gut.“

Steven Spielberg zu Tom Cruise: „Du hast Hollywood den Arsch gerettet“

Vielleicht ist es also genau diese Mischung, die die „Bester Film“-Nominierung für „Top Gun: Maverick“ nicht nur legitimiert, sondern sie sogar erforderte. Denn nach mittlerweile drei Jahren Pandemie ist die Kinobranche nicht mehr das, was sie einmal war. Virale Hits wie diese sind notwendig, um das Kino in Zeiten von Streamingdiensten wieder schmackhaft zu machen. Das betonte sogar Regie-Urmeister Steven Spielberg. Denn bei einem gemeinsamen Oscars-Lunch (Spielberg ist für „Die Fabelmans“ ebenfalls für den besten Film nominiert) lobte der Regisseur den Schauspieler mit den Worten: „Du hast Hollywood den Arsch gerettet und vielleicht auch den Kinoverleih.“

Und vielleicht ist es ja genau das, was die Academy in diesem Jahr auszeichnen möchte. Einen Film, der mit all dem Rundherum und dem Hype die Massen zurück ins Kino gebracht hat. Ob diese Mission tatsächlich klappt, sehen wir dann in der Nacht auf den 13. März, wenn die Oscars verliehen werden.