„Ich will keine Kinder!“ Wer diesen Satz sagt, kann sich häufig auf Diskussionen ein­stellen. Aber warum wird gewollte Kinderlosigkeit vor allem bei Frauen noch immer schwer akzeptiert? Und was ist, wenn man sich als junge Frau ganz bewusst für eine Sterilisation entscheidet? Die 27-jährige Lea ließ sich vor etwa einem Jahr die Eileiter entfernen.

Wir haben mit ihr über ihre Erfahrung gesprochen.

Wenn Frauen keine Kinder wollen

Es gibt Themen, die sollte man bei der Familienfeier einfach gar nicht erst ansprechen. Alter, Politik, Gehalt, Religion … just don’t! Und niemals, wirklich niemals solltet ihr den Satz „Ich will keine Kinder!“ sagen. Wenn die Aussage dann auch noch von einer Frau kommt, ist die Party definitiv gelaufen. Okay, überspitzt formuliert, aber ganz ehrlich: Wir hören da förmlich schon einen entfernten Verwandten sagen: „Na, werd erst mal 35, dann fängt die Uhr schon an zu ticken.“ Oder: „Du hast nur noch nicht den Richtigen gefunden.“ Tatsächlich hören Frauen in diesem Zusammenhang oft Belehrungen, sie werden nicht ernst genommen oder es wird hinter ihrem Rücken darüber geurteilt; sie werden für egoistisch gehalten. Was, kein Kinderwunsch? Irgendwas kann ja hier nicht ganz stimmen! *Sarkasmus off.*

Dass man als Frau keine Kinder will, kommt vielen beinahe merkwürdig vor. Aber ist Mutterschaft wirklich das große Ziel jeder Frau? Und warum werden eigentlich Männer nicht an den Pranger gestellt? Fest steht: Kinderlosigkeit, ob bewusste Entscheidung oder eine Entscheidung der Natur, führt bei Frauen immer wieder zu Vorurteilen und Stigmatisierung. Doch die Gründe, keine Kinder zu haben, sind meist sehr vielschichtig.

So auch bei Lea: Die gebürtige Kärntnerin ist sich absolut sicher: „Ich will keine Kinder haben.“ Und damit geht die junge Frau auch ganz offen um. Auf ihrem Instagram-Kanal lässt die 27-Jährige ihre Community regelmäßig an ihren Gedanken teilhaben. Und wer Lea folgt, weiß: Die Wahlwienerin traf vor ca einem Jahr eine radikale Entscheidung. Sie ließ sich sterilisieren.*

*Bei der Sterilisation einer Frau werden ihre Eileiter verschlossen oder entfernt. In Österreich ist der Eingriff, der meist ambulant unter Vollnarkose durchgeführt wird, rechtlich erst ab 25 Jahren erlaubt. Die Kosten (1.500 bis 2.200 Euro) werden nur bei medizinischer Notwendigkeit von den Sozialversicherungs­trägern übernommen. Die Sterilisation lässt sich prinzipiell rückgängig machen – dieser Eingriff garantiert jedoch nicht, dass die Frau wieder schwanger werden kann.

Warum sich Lea mit 26 sterilisieren ließ

„Ich fühle mich so befreit, erleichtert von einer Last“, antwortet Lea auf die Frage, wie es ihr heute – ein Jahr nach ihrer Eileiterentfernung – gehe. Bereits im Alter von 23 Jahren stand für sie fest, dass sie eine Sterilisation möchte. Wird die mittlerweile 27-Jährige auf ihre Beweggründe angesprochen, ist es für sie nicht immer ganz einfach, die richtigen Worte zu finden. „Ich hatte selbst noch nie einen Kinderwunsch.“, verrät sie. Weiters erklärt Lea: „Ich verstehe, dass von Menschen in unseren Gesellschaftsstrukturen Fortpflanzung erwartet wird, doch lässt es mich ein wenig ratlos zurück. Es ist, als würden mich ständig Leute fragen: ‚Aber wann hast du entschieden, keine Anwältin zu werden?‘“

Leas Vergleich zeigt: Wer in seinem Leben noch nie den Wunsch nach eigenem Nachwuchs verspürte, für den kann die Frage nach dem Warum durchaus irritierend sein. Besonders spannend findet Lea dabei: „Menschen mit Kinderwunsch werden selten mit Bekehrungsversuchen konfrontiert, obwohl deren Entscheidung, ein neues Leben in die Welt zu bringen, natürlich viel weitreichendere Konsequenzen mit sich bringt als mein bescheidener Wunsch, kinderfrei zu bleiben.“

„Die positiven Emotionen rund um Kinder konnte ich nie wirklich spüren“

Und nur allzu gerne kommen Menschen sofort zu dem Entschluss: Wer sich bewusst für ein kinderloses Leben entscheidet, kann Kinder nicht leiden. Ein Trugschluss – denn wie so vieles im Leben kann auch das nicht so einfach pauschalisiert werden. Auch nicht bei Lea: „Klar finde ich Kinder lustig, inspirierend und schlichtweg süß, aber da ich mich so sehr in meiner biologischen Realität der Gebärfähigkeit gefangen gefühlt habe, konnte ich diese positiven Emotionen rund um Kinder nie wirklich spüren.“ Bei der 27-Jährigen kommen aber auch noch pragmatische und finanzielle Beweggründe für die Sterilisation hinzu: „Ich weiß, dass ich keine hormonelle Verhütung benutzen möchte. Ich könnte mich mit Kurzzeitlösungen zufriedengeben – allerdings sind die Risiken bei Spirale und Co deutlich höher als bei einem minimalinvasiven Eingriff zur Eileiterentfernung.“

Und auch, wenn die Kosten der Sterilisation nicht von der Krankenkasse übernommen werden, scheint diese Lösung für Lea die vernünftigste. Die Kärntnerin hatte ein Jahr vor ihrem Eingriff bereits eine Abtreibung. „Mit Freund:innen scherzte ich: ‚Zwei Abtreibungen, und die Kosten für die Sterilisation sind auch wieder drin!‘“ Nachdem die Entscheidung also gefällt ist, bittet sie ihre Instagram-Community bei der Suche nach einem Arzt oder einer Ärztin um Hilfe. Und tatsächlich bekommt Lea eine Empfehlung.

„Beim ersten Termin bei diesem Arzt sagte ich ihm direkt ins Gesicht, dass ich eine Sterilisation wolle. Seine erste Reaktion war abweisend, fast genervt; mit wegwerfender Geste erklärte er mir, dass ich zu jung sei und zuerst die Spirale versuchen solle.“ Letztendlich willigte der Arzt aber ein und führte die Sterilisation bei der damals 26-Jährigen durch.

„Ich schulde niemandem Nachkommen“

Nur wenige Frauen sprechen so offen über Abtreibung und Sterilisation wie Lea. Dass ihre Offenheit im Netz für Aufmerksamkeit sorgt, ist daher keine große Überraschung. Aber wie reagierte ihr näheres Umfeld auf ihre Entscheidung? Lea erzählt, dass ihre Mama durchaus überrascht war, obwohl sie bereits wusste, dass ihre Tochter eine Sterilisation plant.

„Meine Mutter wusste bereits seit einigen Monaten, dass ich eine Sterilisation plane. Als ich dann allerdings einen Termin fixieren konnte, geriet sie wohl doch in eine Art Panik. Auf einmal wurde ich bombardiert von Nachrichten von ihr, dass ich warten solle, dass sie mir stattdessen für die nächsten zehn Jahre meine Spirale zahlen will, dass sie gerne Enkelkinder hätte, dass ich meine Eizellen einfrieren sollte.“ Lea plagten dadurch in gewisser Art und Weise auch Gewissensbisse. Doch ihr wurde klar: „Ich schulde niemandem Nachkommen, ich bin alt genug, um zu wissen, was ich möchte“.

Angst vor Reue?

Lea betont aber auch: „Niemand reagierte schockiert oder negativ. Durch die Bank haben mich alle unterstützt. Manche waren eben wohl ein wenig überrascht über die Endgültigkeit dieser Entscheidung; immerhin kam das alles aus dem Mund der Einzigen in der Runde, die sich niemals trauen würde, sich tätowieren zu lassen, aus Angst, sie würde es bereuen“, witzelt Lea. Stichwort Reue: Der 27-Jährigen ist durchaus bewusst, dass sie ihre Entscheidung irgendwann auch bereuen könnte – immerhin verändert man sich im Lauf der Zeit. „Kein Mensch ist immun gegenüber Reue, aber ich würde viel lieber bereuen, kein Kind bekommen zu haben, als bereuen, ein Kind bekommen zu haben“, sagt sie. Und sie ist sich sicher: „Die Chance, dass ich die Mutterschaft bereuen würde, wäre sehr, sehr hoch. Ich wusste, ich würde womöglich mein vergangenes Ich verfluchen und mir sehnlichst wünschen, die Uhr zurückdrehen zu können, zu einer Zeit vor meinem Kind.“

Fest steht, wie wichtig der offene Diskurs und die Entstigmatisierung von Themen wie diesem in unserer Gesellschaft sind. Denn der Kampf für mehr Selbstbestimmung ist noch lange nicht ausgefochten. Dass wir aber auf einem guten Weg sind, beweisen Frauen, die sich trauen, Klartext zu reden! Und dabei geht es nicht darum, Mutterschaft zu verteufeln: Viele Menschen erleben es als größte Erfüllung, ein Kind zu haben, das steht außer Frage. Aber eben nicht alle – und das ist völlig okay so.