Von Mitte März bis Ende April herrschten in Österreich strenge Verordnungen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Nun sind sie weitgehend wieder aufgehoben. Umso wichtiger wird die von Politikern so viel zitierte Selbstverantwortung.

Denn das Virus grassiert nach wie vor und eine Impfung soll Experten zufolge erst nächstes Jahr kommen.

Die Regierung hat das Kommando

So etwas wie die Coronavirus-Pandemie gab es bisher noch nie. Weltweit wurden die Wirtschaft, der Tourismus und das öffentliche Leben still gelegt. Die Infektionskurve soll flach gehalten werden, heißt es. Das Gesundheitssystem darf nicht einbrechen. Ein guter Grund, um Notstandsgesetze zu erlassen. Der Staat übernahm das Kommando und schränkte unsere Grundrechte ein. Er gab vor, aus welchen Gründen wir das Haus verlassen und wen wir sehen durften. In Österreich durften wir anfangs etwa nur für dringende Besorgungen, Hilfeleistungen und Fahrten in die Arbeit (sofern Homeoffice nicht möglich war) aus den eigenen vier Wänden hervorkriechen.

Die Regierung hat uns dann auch regelmäßig mit Pressekonferenzen up to date gehalten. Nicht immer war klar, was man darf und was nicht. Dass die Situation auch die Politiker überforderte, konnte man an den ein oder anderen verwirrend formulierten Verordnungen ablesen. Den Höhepunkt gab es als das Gesundheitsministerium Ende April klarstellte, dass Treffen in privaten Bereich nie verboten waren. Und das, nachdem die gesamte Nation wochenlang im Glauben gewesen war, dies sei durch die Ausgangsbeschränkungen eigentlich nicht erlaubt.

Lockerungen mit Mai

Ob man nun verwirrt oder mit der ein oder anderen Bestimmung nicht einverstanden war: Der Großteil der Österreich hat sich an die Verordnungen der Regierung gehalten. Das scheint sich positiv auf die Zahlen ausgewirkt zu haben, was auch die Regierung zufrieden stellte. Zumindest wurden die Ausgangsbeschränkungen mit Mai nicht verlängert. Sie liefen mit 30. April aus. Nun scheint es – trotz Warnung der Politiker, dass die Krise noch nicht vorbei sei – so, als wäre die Ansteckungsgefahr gebannt. Die ersten Menschen kehren erleichtert ins Büro zurück. Ein Radiosender fragt auf Facebook, wer am ersten Wochenende bereits shoppen war oder die Familie besucht hat. „Wir waren lang genug zu Hause“, heißt es in der Werbung eines großen österreichischen Möbelgeschäfts.

Auch, wenn die Zahl der Neuinfektionen deutlich gesunken und die Ansteckungsgefahr vermutlich nun wesentlich geringer ist, als zu Beginn der Epidemie in Österreich, grassiert das Coronavirus aber weiterhin. Denn, wie auch die Virologin Elisabeth Puchhammer während einer Pressekonferenz vor Kurzem erklärte, wird das Virus vermutlich nie ganz verschwinden. Wir müssen wohl lernen damit zu leben.

Dürfen wir das überhaupt wieder?

Seit Mai herrscht aber nicht wieder Normalzustand. Es gelten weiterhin bestimmte Regeln, um die Ansteckungsgefahr mit dem Virus zu verringern. So trat mit 1. Mai etwa die COVID-19-Lockerungsverordnung in Kraft. Sie schreibt eine generelle Pflicht zum Tragen des Mund-Nasen-Schutzes beim Betreten öffentlicher Orte in geschlossenen Räumen, auf Märkten im Freien und in Taxis und Fahrgemeinschaften vor. Auch die schon bestehende Maskenpflicht in den Öffis gilt weiterhin. Außerdem muss zu Personen, die nicht im gleichen Haushalt leben, draußen sowie in öffentlichen Räumen ein Abstand von einem Meter eingehalten werden.

Am 4. Mai machte ich mich am Weg in den Supermarkt und beobachtete eine Freundesgruppe, die sich anscheinend zufällig über den Weg gelaufen ist. Sie begrüßten und umarmten sich, während einer fragte: „Dürfen wir das überhaupt wieder?“. „Ja hast du nicht gehört? Das Virus ist ja vorbei“, scherzte ein anderer. Ich musste lachen, am liebsten wollte ich bei den Umarmungen mitmachen, obwohl die Gruppe für mich vollkommen fremd war. Stattdessen ging ich aber einkaufen und bemerkte, dass die Desinfektionsmittel-Station, die seit mehreren Wochen einen fixen Standort neben der Eingangstür hatte, verschwunden war. Auch der Stand mit den Masken und der junge Mitarbeiter, der die Körbe regelmäßig desinfizierte, waren nicht mehr da. In dem Moment ärgerte ich mich über mich selbst, weil ich diesmal nicht, wie ich es mir mittlerweile angewöhnt, vor dem Einkauf meine Hände gewaschen hatte.

Selbstverantwortung ist wichtig

Die Regierung kann unsere Grundrechte zum Glück nicht für immer einschränken. Wir leben immerhin in einem demokratischen Rechtsstaat. Dass die Ausgangsbeschränkungen aufgehoben wurden, weil die Statistik es erlaubt, ist dahingehen also beruhigend. Trotzdem appellierte die Regierung in der Krise immer wieder an die Selbstverantwortung der Bevölkerung. Virologen warnen zudem vor einer sogenannten zweiten Welle. Gerade jetzt, wo wir wieder etwas mehr Freiheiten haben und uns nicht mehr an Notstandsgesetze klammern müssen, sollten wir uns alle selbst in die Verantwortung nehmen.

Denn Notlagen lassen sich vor allem dann bewältigen, wenn Individuen die richtigen Entscheidungen treffen. Das bedeutet nicht, dass wir uns nun freiwillig selbst isolieren oder nicht mehr zur Familie fahren sollten, solange es noch keinen Impfstoff gibt. Was aber jeder einzelne von uns machen kann, ist weiterhin zu fremden Personen einen Sicherheitsabstand einhalten und sich regelmäßig die Hände waschen. Die Selbstverantwortung ist eben gerade jetzt besonders wichtig.