Manchmal frage ich mich, was vor der Liebe war. Muss es etwas geben, das zuerst da war? Eine besondere Verbindung, ein größeres Interesse, eine Freundschaft oder gar nichts, aus dem sich dann irgendwann Liebe entwickelt hat.

Alles wird akzeptiert, nur wenn es um Freundschaft geht, dann haben viele Menschen eine Meinung. Eine, die sagt, dass es nicht funktionieren wird und, dass man sich so nur die Freundschaft kaputt macht. Ist das wirklich so? 

Ich kenne Menschen, die in Beziehungen sind und davor befreundet waren. Spärlich, gut und welche, die sogar jahrelang gemeinsam alles durchgemacht haben. Die einen haben sich getrennt, ein paar sind zusammen geblieben. Aber alle haben eine Sache gemeinsam: Sie kannten ihre bessere Hälfte schon in- und auswendig, bevor es zum ersten Kuss kam und sie ein Paar wurden. Sie wussten, welche Macken der andere hat, bevor die erste Verliebtheitsphase vorbei war. Sie kannten den Freundeskreis des anderen – vor allem, weil sie teilweise selbst darin waren. Sie wussten worauf sie sich einlassen, weil der andere Mensch schon vor der Liebesbeziehung ein wichtiger Teil ihres Lebens war.

Aber, wie fühlt es sich eigentlich an, wenn aus Freundschaft mehr wird?

Die meisten, denen ich diese Frage stelle, sagen mir, dass es schwieriger ist, als bei anderen. Weil man sich kennt und der erste Schritt eine größere Sache wird, als er eigentlich sein sollte. Man riskiert nicht nur einen Korb, sondern auch einen Menschen, der wichtig ist, möglicherweise zu verlieren. Vielleicht empfindet das Gegenüber nicht so und möchte anschließend auf Abstand gehen. Etwas, mit dem man rechnen sollte, wenn man sich in einen Freund verliebt. Wenn die Liebe ein Spiel wäre, dann wäre der Einsatz in diesem Fall ziemlich hoch.

Der erste Kuss

Selbst, wenn man sich eigentlich vertraut ist, können die ersten Male etwas unbeholfen sein. Einen Menschen zu küssen, der bis vor kurzem noch alles andere als das Objekt der Begierde war, ist etwas Neues. Etwas, das man noch nicht kennt, aber dennoch schön ist. Die Schmetterlinge im Bauch, die kommen aber sowieso. „Ich erinnere mich noch, als wir uns das erste Mal geküsst hatten. Es war wirklich gut, aber danach haben wir trotzdem gelacht. Einfach, weil die Situation so absurd war. Dann sind wir dagelegen und haben darüber geredet, warum wir das nicht schon viel früher getan haben. Das war wahrscheinlich der schönste Kuss-Moment, den ich je hatte.“

Kein Ausschmücken der eigenen Person

Wenn man frisch verliebt ist, dann neigt man dazu, seine eigene Person besser dazustellen. Wenn aus Freundschaft Liebe wird, ist das nicht möglich. Einerseits, weil dich die andere Person zu gut kennt. Andererseits auch, weil der Mensch bei vielen Geschichten, die man verschönern könnte, selbst dabei war. Aber wenn man sich ganz ehrlich ist, gibt es doch nichts Besseres als zu wissen: diese Person mag dich wirklich genauso, wie du bist. Nicht mehr, nicht weniger – genau so.

„Ich weiß noch als ich auf all den Dates davor immer erzählt habe, wie toll mein Leben nicht ist. Und das stimmt zwar, aber ich habe übertrieben. Ich wollte einfach die beste Version meiner selbst sein. Aber das konnte ich in diesem Fall nicht. Weil er mich schon Jahre kannte, alles miterlebt hat und genau weiß, was ich denke. Eine wirklich angenehme Abwechslung. Denn jetzt habe ich Freund und besten Freund in einer Person – etwas Besseres kann ich mir nicht vorstellen.“

Ist eine Liebe, die zuerst eine Freundschaft war, zum Scheitern verurteilt?

Viele sagen, dass eine Liebe, die aus einer Freundschaft wächst, keine Chance hat. Vor allem, weil man zu viel riskiert. Nicht nur ein gebrochenes Herz, sondern auch einen Menschen, mit dem man gut befreundet ist, zu verlieren. Eine freundschaftliche Verbindung, die man nach einer Trennung nie wieder aufbauen kann. Aber ist das wirklich Grund genug?

Jeder, der sich verliebt, riskiert. Und eine Beziehung nur deshalb nicht einzugehen, weil man die Freundschaft nicht kaputt machen möchte, sollte kein Grund sein, es nicht zu tun. Denn, niemand hat die Garantie, dass die Beziehung für immer halten wird. Genauso, wie keiner wissen kann, ob man tatsächlich ewig befreundet bleibt. Denn immerhin bleiben Freundschaften mit der Zeit generell nicht, wie sie einmal waren. Oft passiert es, dass man irgendwann weniger intensiv Kontakt hat oder, dass man in neue, andere Kreise kommt. Also sollte man der Liebe in jedem Fall eine Chance geben.