In den vergangenen 40 Jahren hat Johannes Oerding so ziemlich alles erreicht, was ein Musiker erreichen kann. Unzählige erfolgreiche Songs, Gold- und Platinauszeichnung, Aufritte in bekannten TV-Sendungen und ein sympathisches Image. Mit uns spricht der Sänger über sein neues Album „Plan A“, in dem er einige persönliche Geschichten erzählt.

Außerdem plaudert Oerding aus dem Nähkästchen, wie wild es im Tourleben oft zugeht.

Johannes Oerding im Interview

Mit seinem letzten Album „Konturen“, auf dem sich unter anderem die Songs „An guten Tagen“ und „Alles okay“ befinden, ist Johannes Oerding eine Nummer-Eins-Platte gelungen. Jetzt, fast exakt drei Jahre später, will der sympathische Sänger aus Münster nachlegen und liefert uns sein neuestes Werk „Plan A“. Ein Album, auf dem sich viele unheimlich persönliche Songs befinden. Warum sich der 40-Jährige dazu entschieden hat, über sein engstes Umfeld zu singen und welche Geschichte er mit dem Album erzählen möchte, hat er uns im Interview verraten.

„Es ist nicht direkt eine zusammenhängende Geschichte, die ich damit erzählen möchte“, so Johannes Oerding. „Wie so oft bei mir, sind es 12 kleine Geschichten, die jede für sich steht.“ Dennoch hat jeder Song, der sich auf „Plan A“ befindet, etwas mit dem anderen zu tun. „Dieses Album nimmt nicht mehr die Perspektive ein, alles von oben und als großes Ganzes zu betrachten. Es sind kleine, zwischenmenschliche Geschichten darauf, die mich und mein Umfeld betreffen“, erklärt uns der Sänger.

Dafür gibt es laut Johannes auch einen guten Grund: „Das liegt an den letzten Jahren, in denen man Zeit hatte, mit sich selbst zu reden und seine eigenen Gedanken zu erfassen und aufzuschreiben.“

Song über Verhältnis zu Vater

Es wirkt so, als wäre „Plan A“ ein unheimlich persönliches Album. Schließlich geht es dabei sowohl um das Verhältnis zu Oerdings Vater, als auch um das Kennenlernen seiner Frau, Künstlerin Ina Müller. „Man sagt oft: ‚Das ist mein persönlichstes Album‘. Es wäre ja auch schade, wenn die anderen nicht persönlich wären. Aber ja, das stimmt schon; wenn man über Menschen schreibt, die einen im Leben begleiten, dann ist es per se schon mal persönlicher“, so der 40-Jährige. „Man hat in den letzten Jahren eben einfach mehr Zeit mit diesen Menschen verbracht …“.

Und einer dieser Menschen war eben auch der Vater des Sängers. Darum hat er ihm den Song „Eins-zu-Eins-Gespräch“ gewidmet. „Ich hatte die Idee, einen Song über das Verhältnis zu meinem Vater zu schreiben, schon länger. Aber dann hab ich mir immer wieder gedacht, dass ich vielleicht noch zu jung bin, um über meine Eltern zu schreiben“. Gut, mit seinen 40 Jahren ist Johannes Oerding wirklich noch ziemlich jung. Dennoch hat er erkannt, dass es nicht unbedingt die schlechteste Idee ist, sein Elternteil schon jetzt mit dem wohl persönlichsten Geschenk zu überraschen. „Ich hab gespürt, dass es vielleicht doch ganz gut wäre, wenn man das jetzt macht und nicht erst, wenn es schon zu spät ist und der Adressat womöglich nicht mehr zuhören kann.“

Wie sein Vater auf den Song reagiert, verrät uns Johannes auch: „Ich hab mir vorher von ihm die Freigabe geholt. Das finde ich wichtig, wenn man über dritte Personen singt … es sei denn, es sind Ex-Freund:innen, die nicht nett zu einem waren. Dann darf man auch einfach so einen Diss-Track raushauen“, scherzt er. Um einen Diss-Track handelt es sich hier aber glücklicherweise nicht. „Er hat auf jeden Fall einen Daumen hoch gegeben und die Bitte geäußert, das nicht zu groß auszuschlachten“, erzählt der Musiker.

„Habe das Privileg, meine Leidenschaft gefunden zu haben“

Die Frage, die uns unter den Fingern brennt: Welchen Plan A hatte Johannes immer? „Genau diese Frage hat mich dazu gebracht, einen Song darüber schreiben und auch das Album so zu benennen“, so Oerding. „Ich wurde und werde oft gefragt, was ich sonst gemacht hätte, wenn ich nicht Musiker geworden wäre“, erzählt er weiter. Und wir streichen ganz still und heimlich unsere nächste Frage.

Dann stellt Johannes klar: „Ehrlich gesagt habe ich immer viel zu lange über eine Antwort nachgedacht, bis mir dann irgendwann bewusst wurde, dass ich eigentlich gar keinen richtigen alternativen Plan habe“. Also hat er von vorneherein seinen persönlichen Plan A verfolgt. „Mir war auch schon als Kind unterbewusst klar, dass ich das am besten kann. Im Erwachsenenalter war mir dann klar, dass mich nur das richtig beseelt. Ich bin auch wirklich sehr dankbar, dass ich das gefunden habe.“

Johannes ist sich bewusst, dass er damit zur Ausnahme gehört. „Ich glaube, dass sehr viele Menschen auf der Suche nach genau diesem Zustand sind. Deshalb mach ich auch oft drei Kreuze in mein Notizbuch, dass ich dieses Privileg habe, meine Leidenschaft gefunden zu haben.“

„Wenn ich auf Tour bin, dreh ich vollkommen durch“

Neues Album bedeutet auch neue Tour. Dürfen wir uns bei Johannes auch auf eine ganze Konzertreihe freuen? Die erfreuliche Antwort: Ja, dürfen wir! Doch wie bereitet man sich darauf vor? Schließlich ist man hier eine lange Zeit unterwegs. Das kann sowohl mental als auch körperlich sehr fordernd sein. Da gibt uns auch Johannes recht. „Ich bin jetzt auch nicht mehr 19 Jahre alt, wo man einfach drauf losfährt und es egal ist, wenn man drei Stunden auf der Bühne steht und singt und danach feiern geht und am nächsten Tag wieder auf der Matte steht“, stellt Johannes fest.

Aber auch dafür hat er vorgesorgt: „Dementsprechend achte ich darauf, dass ich mich die Monate vor einer großen Tour in shape bringe und versuche, Kondition aufzubauen und mich gesund ernähre und damit auch Krankheiten vorbeuge.“ Denn nach langjähriger Erfahrung weiß er mittlerweile, wie wild das Tourleben oft sein kann. „Ich weiß, dass, wenn ich auf Tour bin, dann dreh ich vollkommen durch! Dann ist mir alles egal. Dann trinke ich, dann rauche ich, dann bin ich lange wach und labere, was das Zeug hält. Das liegt an dem Adrenalin und an all den Highlights, die einen einfach nicht schlafen lassen. Man ist dann einfach in so einem Rausch, der auch nicht so schnell aufhört.“

Was Johannes am Tourleben überhaupt nicht ausstehen kann? „Wenn es zu stressig wird mit dem Reisen. Wenn ich weiß, dass ich direkt nach der Show ins Auto springen muss. Da kommt man dann nicht in den Modus, das Konzert Revue passieren zu lassen“, erzählt er. Doch da gibt es noch eine andere Sache: „Und Wartezeit nervt auch! Wenn man schon alles erledigt hat und dann aber noch vier Stunden Zeit hat, bis die Show beginnt. Dann neige ich dazu, viel zu rauchen. Oder ich setze mich mit den Jungs wohin und mach ein Bierchen auf. So viel zum ungesunden Tourleben …“.

Aber das gehört eben alles zum Musiker-Lifestyle dazu. „Genau auf diese Momente bereite ich mich ja vor und wenn ich dann mit ein paar Kilos mehr, Pickeln im Gesicht und einer gebrochenen Rippe wieder zurückkomme, dann ist das auch egal“, so der Sänger lachend.

Persönlicher Zugang ist wichtig

Um allen Konzertbesucher:innen ein einmaliges Erlebnis zu bieten, hat Johannes eine ganz besondere Methode. „Ich mache mir darüber Gedanken, wie ich an jedem Abend in jeder Stadt den Leuten das Gefühl geben kann, dass sie merken, dass ich die Show nur für sie mache“, erzählt der Musiker. „Dafür setzte ich mich dann mit den Städten und den Leuten und somit auch mit dem Publikum vor Ort auseinander. Oft mach ich mich auf Wikipedia schlau und lese alles, was ich z.B. über Wien wissen muss. Dann frag ich noch ein paar Locals für ein paar schöne Ansatzpunkte und schon bin ich ready für die Show!“

Das Tourleben hat einen großen Vorteil: Man wird quasi rund um die Uhr verwöhnt. Essen, Getränke, Entspannungsmöglichkeiten, so viel man haben möchte. Doch Johannes braucht am besten nur eine Sache: „Einer meiner Lieblingsmomente ist, wenn ich mittags zur Location komme und ich mir trotz großem Catering-Angebot mein Brötchen schmieren kann. Mit Salat, Paprika, Käse und einer geilen scharfen Soße. Das erinnert mich an früher, wenn ich nach der Schule nach Hause gekommen bin und mir schnell was zu essen gemacht habe.“ Absolut relatable!

Doch auch hier zeigt sich der Sänger dankbar. „Dann schaue ich mir immer die Location an und begrüße alle und denk mir: ‚Alles klar. Hier wolltest du schon immer spielen und jetzt bist du da. Ich freu mich drauf'“. Und auch dieser Moment ist jedes Mal ein absolutes Highlight für den 40-Jährigen. „Wenn ich die Bühne betrete und sofort merke, dass die Leute wirklich wegen mir hier sind und Lust haben, einen schönen Abend mit mir zu verbringen.“

Hoffnungsloser Optimist

Zum Schluss haben wir mit Johannes noch über ein etwas ernsteres Thema gesprochen: Die aktuelle Weltsituation. Als erfolgreicher Sänger steht man immerhin doch oft in der Öffentlichkeit und die Menschen erwarten, dass man zu gewissen Dingen Stellung bezieht. Doch es ist nicht immer ganz einfach, zwischen all den bad news noch einen kühlen Kopf zu bewahren. Das muss sich auch der Musiker eingestehen: „Ich bin mit der aktuellen Weltsituation da draußen natürlich auch komplett überfordert“, erzählt er.

„Ich fasse mir an den Kopf und frage mich, warum zur Hölle können wir nicht die eine Katastrophe hinter uns bringen, dann fängt schon eine neue an.“ Doch Johannes hat für sich selbst einen Weg gefunden, damit umzugehen: „Mittlerweile bin ich dazu übergegangen, einfach mal ein paar Tage nicht alle Nachrichten zu durchforsten. Ich merke, dass diese schlechten Nachrichten im Moment sehr viel Platz einnehmen.“

Und dennoch schafft es Johannes Oerding, die Hoffnung niemals aufzugeben. „Ich bin einfach ein hoffnungsloser Optimist und nehme mir dann aus den schlechten Nachrichten – wo es möglich ist – das Gute heraus. Wenn es etwa heißt, es gibt eine neue Subvariante von Corona, die zwar ansteckender ist, aber für nicht ganz so schwere Verläufe sorgt, dann merke ich mir nur die Sache mit den weniger schweren Verläufen.“ Und damit hat Johannes Oerding vielen von uns etwas voraus!