Gewalt an Kindern hat Auswirkungen auf das Erbgut der Betroffenen. Traumen lassen Körper und Gehirn schneller altern.

Eine groß angelegte Studie belegt nun, dass betroffene Kinder beispielsweise früher in die Pubertät kommen.

Gewalt verändert Erbgut von Kindern

Bereits 2012 fanden Forscher heraus, dass sich die Enden der Chromosomen in den Körperzellen von Gewalt-betroffenen Kindern sehr viel schneller verkürzen. Der Effekt ist schon im Alter von fünf bis zehn Jahren nachweisbar. Chromosome sind Bestandteile von Zellen, auf denen die für die Vererbung von Eigenschaften notwendigen Informationen gespeichert sind. Die Chromosomenden, auch Telomere genannt, sind eine Art molekulare Uhr und zeigen das biologische Alter an. Kurze Telomere werden mit einer erhöhten Anfälligkeit für verschiedene Krankheiten, einem frühen Verlust der geistigen Leistungsfähigkeit und einer geringeren Lebenserwartung in Verbindung gebracht.

Zu ähnlichen Ergebnisse kamen auch zahlreiche andere Studien. Die Ergebnisse seien aber nicht ganz eindeutig, wie nun Forscher von der Harvard University im Fachmagazin „Psychological Bulletin“ schreiben. Das könnte daran liegen, dass man nicht alle Unglückserfahrungen in einen Topf werfen kann. Armut sei beispielsweise nicht dasselbe wie Gewalt, Verlust oder Vernachlässigung. Um eine solche Vermischung zu vermeiden, haben die Forscher nun die vorhandene wissenschaftliche Literatur zum Thema noch einmal systematisch durchsucht und dabei zwei Arten von Traumen unterschieden: solche, die mit körperlicher Bedrohung zu tun haben, wie Gewalt oder Missbrauch, und solche, die mit Mangel zu tun haben, wie etwa Armut und Vernachlässigung.

Gewalt lässt Zellen schneller altern

Insgesamt haben die Wissenschaftler 80 Studien mit mehr als 11.000 bis zu 18-jährigen Teilnehmern berücksichtigt. Gewalterfahrungen hatten demnach messbare Folgen. Betroffene Kinder kamen früher in die Pubertät und die Zellen waren deutlich schneller gealtert als bei Gleichaltrigen. Armut und Vernachlässigung hatte hingegen keine solchen Konsequenzen.

25 Studien beschäftigten sich zudem auch mit den kognitiven Auswirkungen von Traumen in der Kindheit. In allen Fällen war auch die Gehirnentwicklung betroffen. Allerdings auf unterschiedliche Art und Weise. Bei Gewalt waren demnach Regionen betroffen, die für soziale und emotionale Verarbeitung zuständig sind. Bei Vernachlässigung war allerdings die Wahrnehmung stärker beeinträchtigt.

Gesundheitliche Unterschiede

Die Forscher schreiben, dass die Reaktion der kindlichen Körper, die von Gewalt betroffen sind, aus evolutionärer Sicht durchaus sinnvoll sei. Demnach sei es erstrebenswert, in einem bedrohlichen und unsicheren Umfeld früher erwachsen zu werden, um so der Situation schneller zu entkommen oder sich fortzupflanzen, bevor dies nicht mehr möglich ist. Langfristig können diese genetischen Anpassungen aber schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. Die Forscher appellieren daher, dass man schon möglichst früh ansetzen müsse, um diese Spätfolgen zu verhindern. So gebe es wirksame psychotherapeutische Behandlungen, um die psychischen Nachwirkungen schlimmer Kindheitserfahrungen zu lindern. Man müsse aber erst untersuchen, ob diese auch auf körperlicher Ebene wirksam seien.