Inflation, Cost-of-living-Krise, steigende Energiepreise. Es sind Schlagwörter, die wir wohl alle in den vergangenen Monaten gelesen haben. Doch neben den gängigen Wirtschaftsfaktoren gibt es auch einige kuriose Dinge, die eine wirtschaftliche Rezession vorhersagen können.

Wir haben uns fünf von ihnen einmal angesehen.

1. Die Rocksaumtheorie

Die Rocksaumtheorie ist wohl der bekannteste ungewöhnliche Indikator für eine Wirtschaftskrise. Sie besagt, dass Röcke länger werden, wenn die wirtschaftliche Lage sich verschlechtert. Steht es um die Wirtschaft gut, werden die Röcke kürzer. Überlegt hat sich das Ganze der amerikanische Ökonom George W. Taylor bereits im Jahr 1926.

In den vergangenen Jahrzehnten konnte die Rocksaumtheorie immer wieder bestätigt werden.
So waren die Röcke zu Beginn der 1920er-Jahre außergewöhnlich kurz, bevor sie rund um die große Wirtschaftskrise 1929 wieder bis zum Boden reichten. In den 1960er-Jahren waren die Straßen dann dominiert von wirtschaftlichem Wachstum – und Miniröcken. Aktuelle Trends wie der Miu-Miu-Minirock in Kombination mit Maxi-Rock-Trends lassen jedoch auch Zweifel an der Theorie zu.

2. Der High-Heel-Index

Der „High Heel Index“ behauptet, dass die Absatzhöhe steigt, wenn die wirtschaftliche Krise größer wird. Die Autorin hinter dem Index, Elizabeth Semmelhack, erklärt das Phänomen in ihrem Buch Heights of Fashion: A History of the Elevated Shoe: „Während der Großen Depression in den 1930er-Jahren, der Ölkrise in den 1970er-Jahren und als die Dotcom-Blase in den 2000er-Jahren platzte, nahmen die Absatzhöhen merklich zu.“

3. Der Lipstick-Effect

Der „Lipstick Effect“ zeigt angeblich, dass Frauen in wirtschaftlichen Krisen und Rezessionen deutlich mehr Lippenstift kaufen. Dieser diene als eine Art Motivation in der Rezession; ein Luxusgegenstand, der nicht so teuer ist, dass er ein Loch in die ohnehin schon leere Geldbörse brennt. Einen Beweis dafür lieferte
das Kosmetikunternehmen Estée Lauder: 2001 erklärte der Vorsitzende des Unternehmens, Leonard
Lauder, dass der Verkauf von Lippenstift nach den Anschlägen von 9/11 ungewöhnlich anstieg. Und auch im ersten Quartal 2022 berichtet das globale Marktforschungsunternehmen NPD Group von einem Verkaufsanstieg bei Lippenstiften und Lippenprodukten um 48 Prozent.

4. Die Krawatten-Theorie

Prognostiker:innen sind sich sicher: Je breiter die Krawatte, desto schlechter geht es der Wirtschaft. Der Grund dafür: Schmale Krawatten stehen für Jugend, mit breiten Krawatten wird hingegen Seriosität vermittelt, die man braucht, wenn es um die Wirtschaft (und den eigenen Job) nicht gut steht.

5. Der „Unterhosen-Indikator“

Während Frauen sich in der Krise laut dem „Lipstick Effect“ nach mehr Beauty sehnen, hat Hygiene bei Männern dann offenbar weniger Priorität – denn laut dem „Unterhosen-Indikator“ kaufen Männer während mieser Wirtschaftslage deutlich weniger Unterwäsche. Durchlöcherte Boxershorts in der Lade könnten also auch ein Anzeichen einer (wirtschaftlichen) Krise sein.

Zeigen Lippenstift und Co wirklich, dass eine Rezession folgt?

So unterhaltsam diese Faktoren und Indikatoren auch sein können, am Ende bleibt die Frage: zeigen sie wirklich zuverlässig eine Wirtschaftskrise? „Nicht zwangsläufig“, entwarnt Johann Stockhammer im Gespräch mit „miss“. Der Modedesigner und Professor an der Hochschule Pforzheim ist sich sicher: Indexe wie die Rocksaumtheorie sind heute nicht mehr eins zu eins anzuwenden.

„Ich würde ganz klar sagen: Das hat sich überholt“, betont er besonders mit Blick auf die Rocksaumtheorie. Anders als zu den Anfängen der Rocksaumtheorie im Jahr 1926 ist Mode heute nämlich deutlich schnelllebiger. Von einem Modediktat wie damals sind wir weit entfernt, und wer sich näher mit Trends beschäftigt, erkennt: Den einen Trend gibt es nicht mehr. „Alleine in den vergangenen drei Jahren fielen die Rocksäume geschätzt 20-mal“, scherzt Stockhammer.

Gleiches gilt beim Thema Schuhe – denn auch, wenn diese Saison Plattform-Heels wieder überall in sind: Sneakers bleiben absolute It-Pieces und Ballerinas feiern 2022 ihr Comeback. „Es gibt immer Wellen und zu jedem Trend dann auch irgendwann einmal einen Gegentrend. Das ist ein ständiger Flow“, betont er. „Natürlich kann man auch als Designer nicht die Augen vor der Zukunft oder der wirtschaftlichen Krise verschließen.“

Nur ein Index ist für Stockhammer gar nicht so unrealistisch: der Lipstick-Effect. Denn dass man sich in einer Rezession oder Krise etwas Gutes tun möchte, ist für ihn ein tief liegendes psychologisches Bedürfnis, das eng mit der immer beliebteren „Labelgeilheit“ verbunden ist. Stockhammer nennt es eine „Ersatzbefriedigung“, für die Dinge, die man sich dann nicht mehr leisten kann, z.B. einen Urlaub. „Nicht jeder kann sich ein Couture-Teil leisten, weil es zu teuer ist. Aber den Lippenstift schon“, sagt er. Ein Gedanke, den
auch Wissenschaftler teilen – denn auch, wenn es zum Beispiel durch Phasen der Maskenpflicht nicht
immer Lippenstifte sind: Der Luxusbeauty-Markt boomt trotz Krise. Wenn die Beautyregale demnächst
also leer sind, muss das nicht unbedingt an einem ultimativen Ausverkauf liegen …