Die Renaissance der Roten Rübe und die Kunst des geschichteten Bürolunchs
Das Image des Wintergemüses hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Besonders die Rote Rübe, hierzulande lange Zeit fast ausschließlich als saure Beilage aus dem Glas bekannt, erlebt derzeit eine kulinarische Wiederentdeckung. Ob als hauchdünnes Carpaccio, wärmende Suppe oder als Hauptakteur in einem modernen „Mason Jar Salad“ für die Mittagspause: Die Knolle ist nicht nur vielseitig, sondern liefert gerade in der kalten Jahreszeit unverzichtbare Nährstoffe. Wer jedoch den wahren Charakter dieses Gemüses kennenlernen möchte, sollte einen Bogen um die vakuumierte Ware im Supermarkt machen.
Vom Acker direkt in die Küche
Industriell verarbeitete Rote Rüben verlieren durch das Einkochen in Essig, Zucker und Salz ihren ursprünglichen, leicht erdigen Charakter. Kenner greifen daher ab Ende September bis ins Frühjahr hinein zu frischen Knollen. Beim Einkauf lohnt sich ein genauer Blick: Die Schale sollte glatt und unverletzt sein, die Knolle selbst prall. Sofern noch vorhanden, signalisieren saftig grüne Blätter absolute Frische. Diese Blätter sind übrigens keinesfalls Abfall, sondern können ähnlich wie Spinat gedünstet oder zu einem würzigen Pesto verarbeitet werden.
Zubereitung im Rohr schont die Nährstoffe
In der heimischen Küche scheiden sich die Geister an der Zubereitungsart. Die klassische Methode ist das Kochen im Wasserbad, was je nach Größe der Rübe etwa 30 Minuten in Anspruch nimmt. Hierbei blutet die Knolle jedoch förmlich aus, wodurch wertvolle Inhaltsstoffe im Kochwasser verloren gehen. Gourmets und Ernährungsexperten raten daher zur Zubereitung im Backrohr. Bei 170 Grad gart das Gemüse, eingewickelt in Backpapier oder in einem ofenfesten Topf, in etwa 40 bis 45 Minuten. Das Ergebnis ist ein intensiveres Aroma bei vollem Erhalt der Vitamine. Da der Farbstoff Betanin extrem stark färbt, empfiehlt sich bei der Verarbeitung, insbesondere beim Schälen danach, das Tragen von Handschuhen.
Dabei muss die Rote Rübe gar nicht zwingend gegart werden. Als Rohkost, fein geraspelt und mit etwas Öl, Zitrone und Gewürzen verfeinert, entfaltet sie ein knackiges Profil. Selbst in der süßen Küche findet sie Verwendung, etwa in Kombination mit Schokolade im Kuchenteig oder eingelegt in einem Sud aus Sternanis und Vanille als Begleiter zu Milchreis.
Gesundheitliche Aspekte des Wintergemüses
Aus ernährungsphysiologischer Sicht ist die Rübe ein Kraftpaket. Mit lediglich 40 Kalorien pro 100 Gramm schlägt sie kaum zu Buche, liefert aber reichlich Folsäure, Eisen, Magnesium sowie die Vitamine B und C. Der für die Farbe verantwortliche Stoff Betanin wirkt zudem als Antioxidans, fängt freie Radikale ab und stärkt somit das Immunsystem. Doch wie lässt sich dieses gesunde Gemüse, das oft eine längere Vorbereitungszeit benötigt, in den hektischen Arbeitsalltag integrieren?
Der Schichtsalat im Glas als Lösung
Hier kommt das Konzept der sogenannten „Mason Jar Salads“ ins Spiel. Diese Methode, Salate in Einmachgläsern vorzubereiten, ist weit mehr als ein optischer Trend. Sie löst das ewige Problem des matschigen Bürosalats durch eine strikte Schichtung der Zutaten („Layering“). Besonders für Diabetiker oder Menschen, die auf ihren Blutzuckerspiegel achten, bietet diese Form des „Meal Prep“ enorme Vorteile, da sich die Portionen exakt steuern lassen und Heißhungerattacken vorgebeugt wird.
Das Prinzip ist simpel, aber effektiv, und folgt einer festen Formel, um die Frische über mehrere Tage zu garantieren.
Die Architektur des perfekten Glases
Die Basis bildet immer das Dressing. Etwa zwei Esslöffel kommen als unterste Schicht in das Glas. Besonders Vinaigrettes eignen sich besser als schwere Sahnesaucen, da sich das Öl später beim Schütteln besser verteilt. Zudem hilft das Fett dem Körper, die fettlöslichen Vitamine (A, D, E, K) aus dem Gemüse aufzunehmen.
Darauf folgt die Schicht aus robustem Gemüse. Hier ist der ideale Platz für unsere Rote Rübe, aber auch für Gurken, Karotten, Radieschen oder Paprika. Diese Zutaten „isolieren“ das Dressing von den empfindlichen Blattsalaten und marinieren sogar leicht, ohne ihre Konsistenz zu verlieren.
Die dritte Ebene gehört den Proteinen. Um ein langanhaltendes Sättigungsgefühl zu erreichen, ohne den Blutzucker in die Höhe zu treiben, sind etwa 80 bis 100 Gramm Eiweiß ideal. Pflanzliche Optionen wie Kichererbsen, Bohnen oder Tofu funktionieren ebenso gut wie Hühnerbrust, hartgekochte Eier oder Schafkäse.
Den Abschluss bilden die empfindlichen Blattgemüse wie Vogerlsalat, Rucola oder Spinat. Da sie ganz oben im Glas liegen und keinen Kontakt zum Dressing haben, bleiben sie bis zum Verzehr knackig und frisch.
Rezeptideen für die Woche
Die Kombinationsmöglichkeiten sind schier endlos, doch einige Varianten haben sich als besonders harmonisch erwiesen. Ein griechisch inspiriertes Glas könnte beispielsweise aus einer Vinaigrette, Gurken, Tomaten, roten Zwiebeln, Mager-Feta und Hühnerbrust bestehen. Wer es deftiger mag, greift zur „Cobb“-Variante mit einem Dressing auf Joghurtbasis, Eiern, etwas Speck und Avocado.
Für Liebhaber der Roten Rübe bietet sich eine Balsamico-Komposition an: Man vermengt Olivenöl, Balsamico-Essig, Schalotten, etwas Dijonsenf und italienische Kräuter zu einer Marinade. Diese wird ins Glas gefüllt, gefolgt von Roter Rübe, Gurken und Radieschen. Darauf kommen hartgekochte Eier und etwas Cheddar oder Bergkäse, gekrönt von einer Mischung aus jungen Salatblättern.
Lagerung und Haltbarkeit
Ein derart vorbereitetes Glas hält sich, gut verschlossen im Kühlschrank, bis zu drei Tage. Die separate Lagerung der Zutaten im Glas sorgt dafür, dass man lediglich kurz vor dem Essen kräftig schütteln muss, um eine frisch angemachte Mahlzeit zu genießen.
Auch die frische Rote Rübe selbst ist äußerst lagerfähig. Nach der Ernte oder dem Einkauf sollte das Grün entfernt werden. In Papier eingewickelt hält sich die Knolle im Gemüsefach des Kühlschranks bis zu vier Wochen. Wer über einen kühlen, dunklen Keller verfügt, kann sie dort ähnlich wie Kartoffeln sogar über Monate einlagern, um so den ganzen Winter über eine gesunde Basis für abwechslungsreiche Gerichte zur Hand zu haben.