Auch wenn es das Natürlichste auf der Welt ist: Das Thema Stuhlgang ist immer noch stark tabuisiert. Dabei gibt es einiges, worüber wir uns besser früher als später austauschen sollten. Wie etwa über das Stoma – einen künstlichen Darmausgang, der bei Krankheiten wie Endometriose die Folge sein kann.

Wir haben mit Autorin Rita Hofmeister über ihr Stoma gesprochen und über die Frage, wie es sich mit Beutel am Bauch lebt.

Was ist ein Stoma?

Everybody poops – so, jetzt ist es raus. Doch obwohl wir es alle machen, gibt es rund um das Thema Stuhlgang auch heute noch jede Menge Scham und Tabuisierung. Insbesondere, wenn es um Probleme mit dem Darm oder dem „größeren“ Klogang gibt. Dabei wäre es enorm wichtig, darüber zu sprechen. Schließlich sind Darmprobleme keine Seltenheit – und können sogar lebensgefährlich werden.

Wer aufgrund verschiedener Erkrankungen massive Probleme mit seinem Darm hat, steht nämlich in manchen Fällen vor einer lebensverändernden Entscheidung: Wird es Zeit für ein Stoma? Und dann – tja dann fragt man sich erstmal: Ein was? Denn das Thema Stoma ist wohl vielen absolut kein Begriff.

Unter einem Stoma versteht man einen künstlichen Darmausgang. Dabei wird bei einer Operation die Bauchdecke so geöffnet, dass der Darm nach außen geleitet wird. Der Darm wird also zuerst durchtrennt, um ihn dann durch die Bauchdecke so weit nach außen zu ziehen, dass ein Stück von ihm sichtbar ist. Zu erkennen ist dann ein Teil des Darms, man sieht auch die Schleimhaut der Darminnenseite.

Eine, die dieses Gefühl aus persönlicher Erfahrung kennt, ist Rita Hofmeister. Die Autorin und Mentorin für ganzheitliche Gesundheits- und Bewusstseinsbildung hat seit 2020 ein Stoma. Es war aufgrund einer Spätkomplikation einer Endometriose-Operation notwendig. Seitdem klärt die Autorin über ihre Erfahrungen auf und informiert über das Leben mit einem Stoma. Dabei will sie eines gleich klarstellen: Stoma ist nicht gleich Stoma. Denn je nach Erkrankung gibt es unterschiedliche Arten von Stoma: das Kolostoma (also eine Ausleitung des Dickdarms) und das Ileostoma (eine Ausleitung des Dünndarms). Die unterschiedlichen Arten beschreiben, welcher Teil des Darms nach außen geleitet wird. Sie unterscheiden sich optisch vor allem in ihrer Platzierung. Ein Dünndarm-Stoma liegt meist auf der rechten Bauchseite; das Dickdarm-Stoma ist eher links am Unterbauch platziert.

Wie funktioniert ein Stoma?

Wenn das Stoma operativ geschaffen wurde, ist es der neue Darmausgang. Das bedeutet, aus der Öffnung in der Bauchdecke kommt dann der Stuhlgang. Da es bei einem Stoma keinen Schließmuskel gibt, haben Stoma-Träger*innen auch keinen Einfluss darauf, wann es zum Stuhlgang kommt. Es braucht deshalb einen Beutel, der direkt an dem künstlichen Darmausgang befestigt wird und den Kot einfängt.

Bei der Versorgung des Stomas gibt es unterschiedliche Systeme: „Es gibt zweiteilige Versorgungen, bei denen man eine Platte auf den Bauch klebt und dort einen Beutel anklippt. Die Platte kann mehrere Tage am Bauch bleiben, den Beutel muss man öfter wechseln“, erklärt Rita.

„Ich persönlich verwende ein einteiliges System – da ist Platte und Beutel in einem. Und auch da gibt es zwei Möglichkeiten. Man kann geschlossene Beutel verwenden, muss dann aber die gesamte Versorgung abnehmen, wenn der Beutel voll ist. Das kann schon zwei bis dreimal am Tag nötig sein. Ich verwende sogenannte Ausstreifbeutel. Die haben am unteren Rand einen Klettverschluss, den man öffnen kann, um den Beutel zu leeren. Das mache ich zwei bis dreimal am Tag, die gesamte Versorgung wechsle ich jeden Morgen nach dem Duschen. Ich kenne aber auch Stoma-Träger:innen, die ihren Ausstreifbeutel drei oder vier Tage tragen. Das ist Geschmackssache.“

Wann ist ein künstlicher Darmausgang notwendig?

Aber warum sollte man sich eigentlich über einen künstlichen Darmausgang Gedanken machen? Ist das denn wirklich etwas, was einem passieren kann? Die einfache Antwort ist: Ja. Immerhin haben im deutschsprachigen Raum mehr als 200.000 Personen ein Stoma. Und die Gründe dafür sind extrem unterschiedlich. Denn während manche einen künstlichen Darmausgang nach einer Darmkrebs-Erkrankung brauchen, wird ein Stoma bei anderen etwa aufgrund der Darmerkrankung Morbus Crohn notwendig.

Ebenfalls möglich ist es, dass es sich um die Folge von angeborenen Fehlbildungen oder Komplikationen nach einer Operation handelt. Ein häufiger Grund ist auch eine Endometriose-Erkrankung. Denn Endometriose-Gewebe kann in den Darm gelangen und hineinwuchern. Dadurch wird ein künstlicher Darmausgang notwendig. Bei Rita Hofmeister war ein wiederkehrender Abszess an einer Darmnaht einer Endometriose-Operation schließlich der Grund für ihr Stoma.

Ein Stoma muss kein Dauerzustand sein, ganz im Gegenteil. Bei vielen Patient*innen kann nach einiger Zeit auch eine sogenannte Rückverlegung durchgeführt werden. Die zuvor getrennten Darmstücke werden also wieder miteinander verbunden und das Loch in der Bauchdecke wieder geschlossen. Der Darm funktioniert dann im Idealfall wieder wie vor dem Stoma.

Eine Option, die für Rita Hofmeister derzeit allerdings nicht infrage kommt. Denn die Rückverlegung wäre für sie mit vielen Risiken verbunden. „Es könnte sein, dass die Entzündungen, die Löcher im Darm, Abszesse und Fisteln wieder zurückkommen. Es könnte auch sein, dass ich nach einer Rück-OP Stuhl-inkontinent bleibe“, erzählt sie. „Und diese großen Risiken will ich einfach nicht eingehen für eine theoretische minimale Lebensqualitäts-Verbesserung. Es geht mir so gut, ich fühle mich völlig gesund und uneingeschränkt, deswegen möchte ich mein Stoma behalten. Und wenn ich einmal alt bin, ist mir lieber, man hilft mir beim Beutelwechsel statt beim Windelwechsel…“

Wie ist der Alltag mit einem Stoma?

Für die Autorin war das Stoma ein Weg zurück in einen normalen Alltag. Ihr Motto ist klar: „Ich kann alles. Und gleichzeitig kacken!“ Der Toilettengang ist also ein anderer – das Leben hat sich für Rita dadurch aber nicht komplett auf den Kopf gestellt.

Bei ihrem Dickdarm-Stoma hat sich auch bei der Ernährung nichts geändert. Sie kann immer noch alles essen; nur Kohlensäure spürt sie manchmal intensiver. Anders kann das aber bei Menschen sein, die keinen Dickdarm mehr haben und Dünndarm-Stomaträger*innen sind, erklärt sie. „Dann muss man schon darauf achten, dass man zum Beispiel langfaserige Speisen (wie Spargel oder Ananas), Schalen von Tomaten oder Trauben, und schwer Verdauliches wie etwa Kerne sehr gut kaut oder ganz weglässt. Das Stoma kann sonst blockieren.“

Für Rita gab es im Umgang mit dem Stoma aber einige mentale Hürden und Konsequenzen, die sie heute ganz konkret ansprechen will. Denn vor ihrer Operation war ein Stoma eine absolute „Horrorvorstellung“, erinnert sie sich. „Aber wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt, muss man mit dieser Angst irgendwie umgehen. Das ist schwer, deswegen kann ich allen nur raten, sich dafür Hilfe in Form von Coaching oder Therapie zu holen. Oder zumindest sich zu informieren und mit anderen Betroffenen zu reden“, sagt sie. Denn eben dieses Wissen und die Aufklärung rund um das Thema halfen auch ihr, die Angst zu mildern.

Auch bei der zweiten Hürde war Kommunikation ausschlaggebend. Denn: „Eine andere große Herausforderung ist, sich nach der OP mit dem neuen Körperbild anzufreunden und zu akzeptieren, dass da jetzt ein Stück Darm aus dem Bauch steht, aus dem jederzeit Stuhl fließen kann“, erzählt sie. „Das ist am Anfang schon ziemlich eigenartig, wenn man sich im Spiegel sieht, und vielen fällt es extrem schwer, den eigenen Körper so anzunehmen.“ Es brauche also eine Phase der Umgewöhnung, doch das Leben mit Stoma hatte für sie – und viele andere Stoma-Patient*innen vor allem eine Konsequenz: eine enorme Verbesserung der Lebensqualität.

Stigmen und das große Tabuthema Stuhlgang

Ein Leben mit Stoma ist nämlich nicht nur möglich, sondern nach einer Gewöhnungsphase auch ziemlich reibungslos zu meistern, betont Rita Hofmeister. „Ja, ein Stoma ist eine Herausforderung und gilt auch als Behinderung. Aber wenn man gelernt hat, gut damit umzugehen und selbständig die Versorgung zu wechseln, dann ist man vollkommen frei und unabhängig. Ich kann alles machen, was ich als gesunder Mensch auch gemacht habe. Ich gehe nur anders zur Toilette“, erklärt sie.

Rund um das Thema gibt es aber bis heute noch einige Vorurteile und Mythen. „Eines der größten Vorurteile ist, dass ein Stoma unhygienisch ist und stinkt“, erzählt sie. „Das geht so weit, dass Stomaträger:innen manchmal nicht ins Schwimmbad gelassen werden. Dabei ist diese Annahme vollkommen falsch. Die Versorgungsmöglichkeiten, die es heute gibt, halten alles vollkommen dicht. Man kann mit Stoma schwimmen gehen, sich in die Badewanne legen, ich war sogar schon in der Sauna, und nichts ist passiert.“

Allgemein stehen Stomaträger*innen immer noch vor der Hürde, dass das Thema stark tabuisiert ist und das offene Ansprechen der Thematik dementsprechend vielen zuerst einmal schwerfällt. Für Rita Hofmeister liegt das unter anderem daran, dass das Thema Stuhlgang ohnehin schon ein großes Tabuthema ist. „Und wenn dann das Thema Stuhlgang mit dem Thema Behinderung zusammenkommt, ist das natürlich der ‚Supergau‘ für viele“, beschreibt sie. „Auch für mich war es ein Prozess, bis ich offen darüber sprechen konnte. Aber ich finde, es ist wichtig, aufzuklären, Mythen zu beseitigen und damit das Tabu immer mehr abzubauen.“

Auch deshalb klärt sie auf ihrem Social-Media-Kanal und in ihrem Buch „Gut leben mit Beutel am Bauch“ über das Thema auf. „Denn ich sehe nicht ein, warum Menschen, denen ein Stoma das Leben gerettet hat, in Scham leben und sich verstecken müssen“, betont sie. „Sie sollten stolz darauf sein, was sie in ihrem Leben schon alles geschafft haben!“