Bis zum 21. Februar haben Frauen in Österreich im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen unbezahlt gearbeitet. Der sogenannte Equal Pay Day ist somit im Vergleich zum Vorjahr um vier Tage nach vorne gerückt. Dennoch verdienen Frauen noch immer um 14,3 Prozent weniger als Männer. Verwundern darf uns das aber nicht.

Gesellschaftliche Strukturen und politische Rahmenbedingungen machen’s möglich.

Frauen haben viel mehr Pflichten außerhalb des Berufs

Jedes Mal rund um einen Aktionstag, der die Lebensrealität von Frauen aufzeigt, finde ich mich unfreiwillig in Diskussionen wieder, die dessen Zweck, Nutzen oder statistische Grundlage infrage stellen. Mittlerweile bin ich müde geworden, ständig die Wichtigkeit eines symbolischen Tages wie etwa dem Equal Pay Day zu verteidigen. Denn die meisten Kritiker verfehlen ohnehin den eigentlichen Kern des Problems: Wir leben nach wie vor in einer Gesellschaft, die es einer Frau nahezu unmöglich macht, mit den gleichen Voraussetzungen und Anstrengungen genauso viel zu verdienen wie ihr männliches Pendant.

Das hat viele Gründe. Zum einen spielen Frauen zwar eine immer größere Rolle im Erwerbsleben, sie haben aber weiterhin noch immer viel mehr Pflichten außerhalb des Berufs. Das weibliche Geschlecht hat lange dafür gekämpft, endlich auch in die sogenannte „Männerwelt“ einzudringen und Karriere machen zu können. Das Problem dabei: Es ist eben noch immer eine Männerwelt. Nicht aber, weil vor allem Männer im Erwerbsleben erfolgreich sind. Männer sind darin vor allem erfolgreich, weil die gesellschaftlichen Strukturen, auf denen unser System aufgebaut ist, das Erwerbsleben zur Männerwelt gemacht haben. Und daran hat sich nicht geändert. Diese Strukturen sind noch immer die gleichen. Denn während immer mehr Frauen ins Berufsleben einsteigen, bleibt der Bereich außerhalb der Erwerbstätigkeit weiterhin „Frauensache“. Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen, Haushalt: Die Frau hat neben dem Beruf viel mehr Pflichten als der Mann.

Frauen in der Teilzeit

Der ein oder andere ertappte Mann schreit jetzt vermutlich beleidigt auf: „Halt! Das stimmt so nicht. Man darf nicht immer alle in einen Topf werfen. Bei uns zu Hause koche ich!“ Großartig! Ausnahmen bestätigen die Regeln. Dass Frauen dennoch noch immer den Großteil der unbezahlten Arbeit erledigen, bestätigen zahlreiche Studien und Statistiken. Wir müssen uns eigentlich nur anschauen, wie viele Frauen im Vergleich zu Männern in einer Teilzeit-Beschäftigung tätig sind. 2019 beispielsweise war die Hälfte der Frauen im Alter von 25 bis 49 Jahren hierzulande teilzeitbeschäftigt, unter Männern waren es lediglich acht Prozent. Und wie wir wissen: Arbeitszeitgesetz hin oder her, wer seine Zeit nicht für Überstunden aufopfert und 200 Prozent gibt, kann in vielen Unternehmen von der großen Karriere nur träumen.

Unflexible Arbeitszeiten und ein noch immer schlechtes Angebot an Kinderbetreuung sind einige der Steine, die Frauen auf der Karriere-Leiter in den Weg gelegt werden. Noch immer gehen mehr Frauen in Karenz als Männer. Von der Politik gibt es lauwarme Bemühungen, das zu ändern. Partnerschaftsbonus und Papamonat sind in der Theorie zwar nette Gesten, praktisch helfen sie aber auch nicht dabei, mit dem vorherrschenden Rollenbild der Frau als Go-To-Kinderbetreuerin zu brechen.

Pandemie als Spiegel der Gesellschaft

Was für einen niedrigen Stellenwert diese Problematik in der Politik hat, kann man anhand der aktuellen Pandemie gut erkennen. Im ersten Lockdown wurden Kindergärten ohne Weiteres geschlossen. Auch wenn sie für all jene, die unbedingt eine Betreuung für Kinder brauchten, weiterhin offen waren, wurden damals viele Kinder abgelehnt. Daraus hat man mittlerweile zwar gelernt, die Kindergarten sind momentan voll, doch wie wenig Priorität Kinderbetreuung tatsächlich hat, zeigt sich allein daran, dass keiner weiß, wann das Betreuungspersonal in den Kindergärten endlich zum Impfen drankommt.

Übrigens hat eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsunternehmens Ipsos in Deutschland ergeben, dass die Corona-Krise die traditionellen Rollenbilder von Mann und Frau noch zusätzlich verstärkt hat. Demnach laste die Haus- und Familienarbeit zum überwiegenden Teil auf den Schultern der Frauen. 69 Prozent der Frauen gaben an, dass sie die generelle Hausarbeit erledigen, während das unter den Männern gerade einmal elf Prozent von sich behaupten. Mehr als die Hälfte der Frauen gab zudem an, Pflichten wie Kinderbetreuung und Homeschooling zu übernehmen. Bei den Männern waren es nur 13 beziehungsweise 15 Prozent.

Teufelskreis im Berufsleben

Und weil Frauen eben noch immer als jenes Geschlecht angesehen werden, dass Pflichten wie Haushalt und Kinderbetreuung übernimmt, sind sie in der Berufswelt auch weiterhin unbeliebter als Männer. Hier kann sich gerne jeder Arbeitgeber ertappt fühlen, der schon einmal eine Bewerberin nach ihrer Familienplanung gefragt hat. So ist es auch nicht verwunderlich, dass noch immer vor allem Männer in Führungspositionen sitzen. Und das, obwohl nicht jede Frau eine Familie hat und auch nicht jede vorhat, irgendwann Mutter zu werden. Denn selbst, wenn eine Frau alle Hürden der gesellschaftlichen Strukturen überwindet und sich in einem Bewerbungsgespräch für eine höhere Position wiederfindet, kann es passieren, dass ein weniger qualifizierter Mann den Job bekommt. Denn gleich und gleich gesellt sich gerne und Männer stellen lieber Männer ein. Eine Lösung wäre hier etwa die Frauenquote.

Schwedische Wissenschaftler haben 2017 im Rahmen einer Langzeitstudie herausgefunden, welchen Effekt die Frauenquote auf jene Einrichtungen hat, die sie durchsetzen. Eine Quotenregelung führe demnach dazu, dass top qualifizierte Frauen bei Kandidaturen und Posten stärker berücksichtigt werden. Und sie haben als Nebeneffekt, dass mittelmäßige Männer, die schon in höheren Positionen sind, weniger werden.

Es braucht also ein komplettes Umdenken in der Gesellschaft, bessere politische Rahmenbedingungen (etwa ein Ausbau der Kinderbetreuung und eine Frauenquote) sowie ein anderes Verhalten von Arbeitgebern. In Anbetracht all dessen ist es eigentlich verwunderlich, dass Frauen „nur“ 14 Prozent weniger verdienen als Männer.