Noch immer ist Gewalt gegen Frauen ein stark tabuisiertes Thema. Dabei gibt es einige Warnzeichen einer toxischen Beziehung.

Wir haben zwei Expertinnen zu häufigen Warnzeichen in Beziehungen befragt.

Anzeichen und Warnzeichen bei Gewalt gegen Frauen

Ist es schon Gewalt, wenn ich mich in meiner Beziehung unsicher fühle? Bin ich in einer toxischen Beziehung, wenn mein Partner mein Handy hin und wieder kontrolliert und wohin kann ich mich wenden, wenn ich Angst vor meinem Partner habe?

Das sind Fragen, auf die viele keine Antwort haben. Dabei ist Gewalt gegen Frauen ein allzu gegenwärtiges Thema. Jede fünfte Frau ist ab ihrem 15. Lebensjahr nämlich körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt. Darüber geredet wird trotzdem nur selten.

Eine Tatsache, die das Problem nur verstärken kann, finden auch Maria Rösslhumer – die Geschäftsführung des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser – und Carmen Thornton – Rechtsanwältin. Im Gespräch mit miss klären sie deshalb über erste Warnzeichen auf, die man sowohl in einer Beziehung als auch als Außenstehende bei anderen Paaren beobachten kann.

1. Isolation von Freunden und Familie

„Wenn ein Mann/ein Partner anfängt, die Freundinnen schlecht zu machen, den Freundeskreis schlecht zu machen, ist das schon ein großes Warnzeichen“, weiß Maria Rösslhumer.

Auch das Schlechtmachen der Familie und engen Vertrauten kann ein erstes Warnzeichen sein. Denn wenn ein Partner anfängt, in den Liebsten der Partnerin nur mehr schlechte Eigenschaften zu sehen und sie dazu verleiten will, weniger Kontakt zu ihnen zu haben, kann das mehr und mehr zur Isolation der Frau führen. Das verhindert vor allem, dass Frauen ein aktives und intaktes Vertrauensnetz haben, an das sie sich im Ernstfall wenden können.

Beobachten kann man das aber auch als Außenstehende, weiß Carmen Thornton. „Als Freundin ist es so, wenn die Freundin eine neue Beziehung beginnt, dann ist es natürlich bis zu einem gewissen Grad normal, dass am Anfang weniger Zeit vorhanden ist“, sagt sie. „Wenn das aber langfristig ein Thema ist und man das Gefühl hat, die Freundin kann sich einem nicht mehr öffnen, kann einen nicht mehr treffen, darf nichts mehr erzählen, ist vielleicht verschreckt oder schaut andauernd aufs Handy, weil sie rückmelden muss, wo sie ist, dann sind das Warnzeichen und dann sollte man deutlich nachfragen, ob es bei ihr vielleicht ein Problem gibt.“

2. Kontrolle im Alltag

Eng verbunden mit der Isolation ist auch die Kontrolle im Alltag. Wenn der Partner etwa bestimmt, was man wann machen soll und was lieber nicht, dann ist das ein großes Warnzeichen. Denn dann stellt sich oft die Frage: „Wo ist noch eine ’normale‘ Eifersucht? wo ist es noch eine ’normale Besorgnis?“

3. Verbote

Kontrolle bedeutet in vielen toxischen Beziehungen auch das Aussprechen von Verboten. Und zwar in den unterschiedlichsten Bereichen. Sei es ein Treffen mit Freundinnen oder die Auswahl der eigenen Garderobe: Verbote können ein großes Warnzeichen sein. Für Carmen Thornton ist es etwa schon ein großes Warnsignal, „wenn ich die Dinge, die ich vorher gerne gemacht habe, nicht mehr machen darf“.

4. Frauenverachtende Einstellungen

Besonders in der Dating-Phase oder zu Beginn einer Beziehung kann es sehr viel über den möglichen Partner aussagen, wenn man beobachtet, wie dieser über andere Frauen spricht. Denn eine frauenverachtende Einstellung kann ein großes Warnsignal sein.

Jedoch kann dieses nicht nur von der (potentiellen) Partnerin beobachtet werden, sondern auch von dem gesamten Umfeld. Hier gilt es, auch einmal einzuschreiten, weiß Maria Rösslhumer. „Wenn ein Freund oder ein Mann immer wieder frauenverachtende Witze erzählt, Sprüche und Scherze macht über Frauen – Das sind schon Zeichen, wo man vielleicht bemerken kann: Der schätzt Frauen oder die Freundin gar nicht.“ Umso wichtiger ist es, dass das Umfeld dann auf eben dieses Fehlverhalten aufmerksam macht.

5. Schuldzuschreibungen

Eine wichtige Beobachtung ist auch das Verhalten in einer Konfliktsituation. Wie geht der Partner mit einem Streit um, diskutiert man auf Augenhöhe oder wird man eher von oben herab behandelt? Und inwiefern kann der Partner auch Schuld eingestehen. Das alles sind Faktoren, die ausschlaggebend in der Beziehung sein können. Denn: „Wenn mir immer die Schuld in die Schuhe geschoben wird für irgendwelche Konflikte in der Beziehung, dann sind das deutliche Warnzeichen, auf die man reagieren sollte“, sagt Carmen Thornton.

6. Öffentliche Bloßstellungen

Viele Aspekte der toxischen Beziehung und häuslichen Gewalt finden im Privaten statt. Wie der Name schon verdeutlicht, gibt es eher selten beziehungsweise oft nur in Extremfällen Situationen, in denen sich die toxische Seite des Partners in der Öffentlichkeit zeigt.

Umso wichtiger ist es sowohl für einen selbst als auch das eigene Umfeld, diese Situationen besonders zu beobachten. Ein Beispiel dafür wäre etwa eine öffentliche Bloßstellung. Wenn eine Partnerin etwa vom Freund in der Runde bloßgestellt wird, sich der Partner in aller Öffentlichkeit über die Partnerin lächerlich macht oder sie beleidigt, ist das ein klares Anzeichen für eine toxische Beziehung der beiden.

7. Unsicherheiten

Letztlich können Warnsignale aber auch sehr individuell sein. Denn Gewalt hat viele Facetten und reicht von einem Gefühl der Unsicherheit, bis hin zur Vergewaltigung und körperlichem Missbrauch.

Umso wichtiger ist es, dass sich Frauen darüber bewusst sind, dass es ganz stark um ihr persönliches Empfinden in einer Beziehung geht! „Sobald, ich das Gefühl habe, ich bin wirklich eingeschränkt, ich kann mich nicht so frei bewegen oder nicht das sagen, was ich sagen möchte […] dann kann man sicherlich schon von psychischer Gewalt sprechen und es macht Sinn, das wirklich zu reflektieren und sich zu überlegen, ob man diese Beziehung nicht verlässt“, betont Thornton.

Weitere Warnzeichen und erste Signale einer toxischen Beziehung haben uns die beiden Expertinnen im interview erklärt.


Wenn ihr von Gewalt betroffen seid oder euch zum Thema informieren wollt, beziehungsweise über eure Situation sprechen wollt, gibt es viele Anlaufstellen, bei denen ihr Hilfe bekommt:

  • Frauennotruf (Österreich): 01 71719
  • Frauenhelpline (Österreich): 0800 222 555
  • Männernotruf (Österreich): 0800 246 247
  • Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen (Deutschland): 08000 116 016
  • Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (Deutschland): 0621 16853705
  • Hilfetelefon Sexueller Missbrauch (Deutschland): 0800 22 55 530
  • Beratungsstelle für Frauen gegen Gewalt in Ehe und Partnerschaft (Schweiz): 44 278 99 99
  • Frauenberatung sexuelle Gewalt (Schweiz): 044 291 46 46
  • Opferhilfe (Schweiz): Hier gehts zur Webseite
  • Euronotruf: 112

Weitere Informationen, wo man Hilfe bekommt und was man im Ernstfall tun kann, haben uns die beiden Expertinnen auch im Video verraten.