In Italien protestieren Frauen, indem sie aus Solidarität auf ihre BHs verzichten. Denn das Auftreten der Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete, die in Sizilien ohne BH vor Gericht erschien, sorgt zurzeit für Aufsehen. Eine Zeitung, die sich rechtspopulistisch positioniert, kritisiert die 31-Jährige und schreibt, dass ihre Schamlosigkeit keine Grenzen kenne. 

Italienerinnen riefen anschließend dazu auf, selbst auf das Tragen eines BHs oder der kompletten Unterwäsche zu verzichten.

Fehlender BH: wichtiger als eigentliche, politische Debatte

In der vergangenen Woche stand Carola Rackete vor dem italienischen Gericht. An diesem Tag konzentrierte man sich weniger auf den Grund, wieso sie vor Gericht stand, sondern viel mehr darauf, was sie anhatte. Beziehungsweise, was sie nicht anhatte. Denn ihr fehlender BH ließ vor allem das italienische Medium „Libero“ laut werden. Statt sich auf die Debatte zu konzentrieren, die zurzeit um ihre Person stattfindet, kommentierten sie ihr Äußeres. Dass sich die Brüste von Carola Rackete an ihrem T-Shirt abzeichneten, reichte für Kommentare der Zeitung aus: „Eine Schamlosigkeit ohne Grenzen.“

Sexualisierung  und Tabuisierung der weiblichen Brustwarze

Das Aufsehen um dem weiblichen Nippel ist aber nichts, was man nicht bereits schon gekannt hat. Seit Jahren gibt es Proteste, die unter anderem aufzeigen wollen, dass es nicht in Ordnung ist, wenn weibliche Brustwarzen, die öffentlich auf sozialen Netzwerken gezeigt werden, gelöscht werden – und männliche nicht. Seit 2012 gibt es auch einen Hashtag, der Frauen dazu animiert, sich ohne BH zu präsentieren. Unter #freethenipple kann man bereits mehrere Millionen Beiträge sehen.

BH-freier Tag in den sozialen Netzwerken dokumentieret

Um die Bewegung, die sich gegen die Tabuisierung der weiblichen Brustwarze stellt, zu nutzen, riefen Italienerinnen jetzt dazu auf, sich einen Tag lang ohne BH zu präsentieren. Viele Frauen sind diesem Aufruf gefolgt, zeigten sich im Internet mit dem BH in der Hand, anstatt ihn zu tragen. Aber auch Männer konnten Teil des Protestes werden: Während sich Frauen bewusst gegen einen BH entscheiden sollen, können Männer das genaue Gegenteil tun und einen tragen.

Der Aufruf soll dazu dienen, dass sich Menschen bewusst solidarisch gegenüber Carola Rackete verhalten. Sie wollen, dass es keinen Unterscheid macht, ob man einen BH trägt oder nicht. Und, dass es nicht besprochen gehört, wenn man auf einen BH verzichtet, noch, dass es in Ordnung ist, dafür beleidigt zu werden. Der Protest steht für die Normalisierung, gegen die Sexualisierung, Tabuisierung und Dämonisierung des weiblichen Körpers, in spezieller Hinsicht auf den weiblichen Nippel.

Carola Rackete im Oktober vor EU- Parlament

Die 31- Jährige kennt man bereits seit Ende Juni, als sie mit dem Rettungsschiff „Sea-Watch 3“ im Hafen von Lampedusa angelegt hat – und das ohne die Erlaubnis der italienischen Regierung. Das Rettungsschiff hatte unzählige Menschen an Bord, die aus Seenot gerettet wurden. Während über mehrere Tage auf einen Genehmigung gewartete wurde, gingen die Vorräte immer mehr aus – bis es kaum noch welche gab.

Irgendwann entschied Carola Rackete, dass sie, trotz fehlender Genehmigung, in den Hafen von Lampedusa einfahren werden. Während der Einfahrt streifte das Rettungsboot italienische Finanzpolizei. Daraufhin wurde Carola festgenommen, von Innenminister Salvini als kriminell bezeichnet und zuerst unter Hausarrest gestellt, aber anschließend doch freigelassen. Im Oktober soll Carola sich im italienischen EU- Parlament erklären und berichten, was bei der Seenotrettung im Mittelmeer genau passierte.