Viele Betroffene leiden ihr Leben lang an den Folgen psychischer und physischer Gewalt. Und vielen ist nicht mal klar, dass sie sich in einer missbräuchlichen Beziehung befinden.

Wir haben einen Beziehungsexperten nach den frühen Anzeichen zu einer toxischen Beziehung gefragt.

Emotionaler Missbrauch in einer Beziehung bleibt lange unentdeckt

Sabine liebt Tom. Die Kritik ihrer Freunde, dass sie ihren Kleidungsstil und ihre Vorlieben für ihren neuen Freund änderte, kann sie nicht verstehen. Schließlich gefällt sie Tom damit viel besser und auf die Meinung ihrer „ungesunden“ Freunde solle sie laut ihm sowieso nicht hören. Zudem kann Tom nur schwer damit umgehen, wenn man anderer Meinung ist. So ist es schließlich leichter für Sabine, auf die „ungesunden“ Freunde zu verzichten. Auch mit der Familie wird es immer schwieriger. Tom hat recht: Sie gehören in die Vergangenheit – er ist ihre Zukunft! Sie streiten und weinen viel. Aber schließlich ist es doch das, was „pure Leidenschaft“ ausmacht, wie Tom zu Sabine meint. Zwei Jahre später gleicht ihre Beziehung einem Gefängnis. Sabines Persönlichkeit ist ein Scherbenhaufen. Erst heute ist ihr klar, dass sie sich in einer toxischen Beziehung befand und Leid mit Liebe verwechselte.

Doch wie erkennt man, dass man in einer toxischen Beziehung feststeckt?

10 Anzeichen, dass du in einer toxischen Beziehung steckst

Eine toxische Beziehung beschreibt eine Partnerschaft, die dich extrem viel Kraft kostet. Ein Zustand, indem du häufiger Kritik ausgesetzt bist und dich überwiegend unsicher fühlst. Es herrscht ein ständiges Wechselspiel von heiß auf kalt. Du fühlst dich zunehmend gefangen. Wir haben Beziehungsexperten Dominik Borde gefragt, wie man erkennt, ob man sich in einer missbräuchlichen Beziehung befindet.

1. Dein Partner / Partnerin lässt nicht zu, dass du ihm / ihr deine wahren Gefühle zeigst, und reagiert mit heftigen Gegenangriffen

Auf jegliche Kritik reagiert er / sie dramatisch und verärgert. Bestenfalls solltest du immer ihrer Meinung sein.

2. Am Ende von Gesprächen fühlst du dich falsch oder schuldig

In toxischen Beziehungen wird gelogen, manipuliert und es werden Teilwahrheiten erzählt. Ständig wird dir das Wort im Mund umgedreht. Am Ende denkst, du seist im Unrecht oder gar dumm.

3. Sein / Ihr Ego verträgt keinen Partner auf Augenhöhe

Wenn es dir gut geht, geht es ihm / ihr schlecht. Deine Erfolge zu feiern, fällt Ihnen schwer. Er / Sie braucht ständige Aufmerksamkeit und muss gefühlt immer oben stehen. Höchstwahrscheinlich hast du es mit einem narzisstischen Menschen zu tun. Diese neigen zu Egoismus, Unterdrückung, Kontrollsucht, Empathielosigkeit und Manipulation – alles Eigenschaften, die eine Beziehung auf Augenhöhe verhindern und dafür sorgen, dass die Beziehung dem Partner mehr Kraft kostet, als sie spendet.

4. Eifersucht, Kontrolle, Besitzdenken und soziale Isolation sind in der Beziehung an der Tagesordnung

Dein Partner / Partnerin will immer darüber informiert sein, wo du steckst, was du tust und reagiert eifersüchtig. Sie selbst gestehen sich hingegen andere Rechte zu.

5. Deine Schwächen werden gegen dich verwendet

Anstatt dir zu helfen und dich in deiner Unsicherheit zu bestärken, befeuern sie dieses Gefühl in dir. Das passiert meist im Streit oder in Situationen, wo er oder sie dich zu seinem / ihren Vorteil manipulieren will.

6. Der Partner / Partnerin hinterlässt bei dir ständig das Gefühl, er oder sie hätte etwas Besseres verdient

Dein Partner / Partnerin sagt dir immer wieder, was an dir verbesserungsfähig ist, sodass du zunehmend mit Selbstzweifeln zu kämpfen hast. Vielleicht bekommst du Sätze zu hören wie „Früher warst du schon ein paar Kilo leichter, oder?“ oder „Du könntest dir für mich gern mal andere Wäsche anziehen“.

7. Der Partner / Partnerin bringt dich ständig dazu, in der Beziehung auf dich selbst zu verzichten

Deine Bedürfnisse werden ständig ignoriert und geleugnet. Es werden nur Filme geguckt, die der Andere für gut befindet. Du hast Lust auf Pizza? Er / Sie mag lieber asiatisch. Frag dich mal ernsthaft, wann er / sie zuletzt etwas für dich gemacht hat.

8. Der Partner / Partnerin verdirbt dir deine Freunde, deine Hobbys, Eltern 

Ihr seid rund um die Uhr zusammen. Deine Familie und Freunde werden schlecht geredet. Nach einem Treffen mit FreundInnen gibt es meist Eifersuchtsdramen. Er / Sie gibt dir das Gefühl, dass nur er / sie in der Lage ist, dich wirklich zu verstehen. Nur er / sie ist immer für dich da.

9. Du überschreitest deine Grenzen

Wenn du in einer Beziehung immer wieder zu Dingen gedrängt wirst, die du eigentlich gar nicht tun wolltest oder willst, kannst du davon ausgehen, dass du dich in einer toxischen Beziehung befindest. Dein Partner / Partnerin wünscht sich von dir, dass du nackt im Wohnzimmer sitzt, während er / sie kocht, dass du ihnen zuliebe ein „Nein“ in ein „Ja“ verwandelst, kurzum, dass du Dinge tust, mit denen du dich unwohl fühlst? Typisch für eine solche Beziehung ist, dass dein toxischer Partner / Partnerin nicht reflektiert, in was für eine unangenehme Situation er / sie dich bringt und sich für sein / ihr Verhalten deshalb auch nicht entschuldigt.

10. Dein Leben wird zur emotionalen Hochschaubahn

Du fühlst dich unsicher, du selbst zu sein und nicht geborgen in der Beziehung. Eben wurde dir noch die ewige Liebe geschworen, plötzlich wird dir aus heiterem Himmel die Trennung verkündet. Eine toxische Beziehung ist ein Wechselspiel aus „heiß-und-kalt“, „himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“. Das Perfide an dieser emotionalen Achterbahn ist, dass sie dich emotional abhängig macht. Dadurch, dass du ständig in die Hölle versetzt wirst, bevor sich dann doch wieder alles zum Guten wendet, kommen dir selbst vermeintliche Selbstverständlichkeiten in einer Beziehung wie das Paradies auf Erden vor.


Wenn ihr von Gewalt betroffen seid oder euch zum Thema informieren wollt, beziehungsweise über eure Situation sprechen wollt, gibt es viele Anlaufstellen, bei denen ihr Hilfe bekommt:

  • Frauennotruf (Österreich): 01 71719
  • Frauenhelpline (Österreich): 0800 222 555
  • Männernotruf (Österreich): 0800 246 247
  • Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen (Deutschland): 08000 116 016
  • Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (Deutschland): 0621 16853705
  • Hilfetelefon Sexueller Missbrauch (Deutschland): 0800 22 55 530
  • Beratungsstelle für Frauen gegen Gewalt in Ehe und Partnerschaft (Schweiz): 44 278 99 99
  • Frauenberatung sexuelle Gewalt (Schweiz): 044 291 46 46
  • Opferhilfe (Schweiz): Hier gehts zur Webseite
  • Euronotruf: 112