Catcalling ist leider für viele immer noch gang und gäbe. Die Initiative „Catcalls of Vienna“ will via Social Media auf das Thema aufmerksam machen und bringt die Erfahrungen von Frauen auf ihrem Instagram- und Facebook-Account in den öffentlichen Raum.

Die negativen Erlebnisse reichen von Nachgaffen bis zu schwerwiegenden sexuellen Übergriffen.

Catcalling als Trauma-Auslöser

„Ausziehen!“, „Ey, lasst uns mal aussteigen und sie verfolgen“, „Steig ein, Pornopuppe“. Frauen werden täglich auf offener Straße mit solchen und anderen Sprüchen belästigt. Mal ist es ein offensiver Spruch, mal ein Hinterherpfeifen, manchmal ein aufdringliches Nachgaffen – Catcalling gehört leider immer noch zum Alltag vieler Frauen.

Dass das alles andere als in Ordnung ist, findet auch das Team hinter „Catcalls of Vienna“. „Catcalling ist keine einfache Lappalie, sondern verursacht ein tiefes Gefühl der Unsicherheit. Es sorgt dafür, dass wir Wut, Angst und Scham empfinden, dass wir unser Körpergefühl verlieren, Trauma ausgelöst werden und, dass wir uns nicht mehr trauen, alleine rauszugehen oder uns so zu kleiden, wie wir es möchten. Viele Negativ-Erlebnisse brennen sich tief ein und belasten noch Jahre später“, erzählt Franziska Vesenmaier, die Teil des Teams der Initiative ist.

Deshalb sammeln sie eben diese Sprüche und Erfahrungen von Leuten und bringen sie zurück an den Ort des Geschehens. Dort werden die Aussagen dann mit Straßenkreide auf den Boden geschrieben. Das buchstäbliche Ankreiden hat gleich zwei Effekte, erklärt Franziska. „Indem wir die Täter*innen wortwörtlich am Ort des Geschehens ‚ankreiden‘, erobern wir den Raum nicht nur zurück, sondern erregen dadurch auch die Aufmerksamkeit derjenigen, die sonst wenig Berührungspunkte mit Catcalling haben.“ Bilder davon teilen sie auf Instagram und Facebook.

Bis zu 15 Einsendungen pro Woche

„Catcalls of Vienna“ existiert schon seit zwei Jahren. Die Idee für das Projekt ist an die Organisation Catcalls of New York City angelehnt. Die Gruppe sammelt ebenfalls Catcalling-Erlebnisse und schreibt sie auf öffentlichen Plätzen nieder. Das Wiener Team besteht mittlerweile aus zehn Personen und zahlreichen Helfern, die bei Aktionen unterstützen. „Die meisten von uns sind persönlich von Catcalling betroffen und so zum Aktivismus gekommen“, erzählt Franziska. „Es gibt aber auch viele, die sich als Nicht-Betroffene mit uns solidarisieren und sich deshalb engagieren.“

Wer seine Geschichte gerne teilen möchte, kann seine Erfahrungen über die Social Media Kanäle oder Mailadresse des Vereins einsenden. Bis zu 15 Nachrichten erhält das Team so jede Woche. Die meisten sind von FLINTA*-Personen – also Frauen*, Lesben, inter, non-binary und trans* Personen – Mitte 20. Einsendungen von Männern seien eher selten, kommen aber auch vor. Die Schriftzüge und Nachrichten werden dann auch online geteilt. Die Personen bleiben dabei immer anonym.

Unter den Geschichten sind auch immer wieder einige schwerwiegende sexuelle Übergriffe, erzählt Franziska. „Da wir keine qualifizierten Kräfte für diese Fälle sind, hören wir den Betroffenen in erster Linie zu und verweisen sie anschließend an geeignetere Fachstellen.“ Einige der Geschichten liegen auch jahrelang zurück und sind Erfahrungen, die die Betroffenen einfach nicht losgelassen haben.

Petition gegen Catcalling

Beim Ankreiden trifft das Team auch immer wieder auf Passanten und klärt über die Hintergründe der Aktion auf. Die Reaktionen seien meist positiv, auch wenn es vereinzelt zu Unverständnis kommt. Es sei auch schon passiert, dass die Texte mit einem Kübel Wasser weggeschwemmt wurden und das Team hinter der Aktion beleidigt wurde.

Dass dieses Unverständnis immer noch groß ist, ist einer der Gründe, warum das Team hinter Catcalls of Vienna auch weiterhin Erfahrungen öffentlich teilen möchte. Wenn es nach Franziska geht, ist das Ankreiden aber nur der erste Schritt einer weitläufigeren Kampagne.

„Wir fordern von der Politik, dass verbale sexuelle Belästigung, ebenso wie Beleidigungen nach französischem Vorbild, Eingang ins Strafgesetzbuch finden. Damit Österreich auch einer der Wegbereiter für eine von Sexismus befreiten Gesellschaft wird.“ Catcalls of Graz, mit denen das Wiener Team verbunden ist, hat dafür bereits eine Petition ins Leben gerufen.