Jeder kennt’s und jeder hasst es. Das klassische nachpfeifen oder die verstohlenen Blicke in der U-Bahn. Es geht um „Catcalling“, sexuelle Belästigung auf den Straßen. Ist doch nicht so schlimm? Doch ist es schon, wir sind nicht hypersensibel oder nah am Wasser gebaut. Nein, wir würden einfach ganz gern ungestört in der U-Bahn sitzen oder ohne Zurufe aus Autos, die Straße überqueren. Ist das zu viel verlangt?

Immer wieder liest man Schauergeschichten, gekennzeichnet mit dem Hashtag #metoo. Manchmal habe ich das Gefühl, all das wird schon zur Normalität. Sexuelle Belästigung ist nicht normal, daran ist nichts okay und akzeptiert sollte es schon gar nicht werden. Vor kurzem bin ich wieder einmal daran erinnert worden, wie beschämend so eine Erfahrung sein kann und warum wir uns gegen Catcalling wehren sollten.

Blicke sagen mehr als tausend Worte

Seelenruhig will ich meine Mittagspause an der frischen Luft genießen und kurz draußen Luft schnappen. Ein Mann wirft mir, aus seinem großen schwarzen Wagen, einen Blick zu, der eindeutig nicht zufällig auf mich gerichtet ist. Meine Taktik in so einem Moment: Blick abwürgen und zu verstehen geben, dass das Interesse-Level eher im negativen Bereich angesiedelt ist. Funktioniert meistens, aber leider nicht immer. Ohne ihm eines Blickes zu würdigen, merke ich wie die Autotüre aufgeht und eine Männerstimme ertönt. Rückblickend, kann ich gar nicht einmal mehr sagen, was er genau von sich gab, aber ein netter Smalltalk war das mit Sicherheit nicht. Wie erstarrt bleibe ich stehen und bette zu einer höheren Macht, egal zu welcher, dass dieser Moment auch gleich wieder ein Ende hat. Schließlich kommt der Urinstinkt „Flucht“ in mir auf und ich biege kurzerhand einfach in die nächste Seitenstraße ein.

Catcalling: Aktion & Reaktion?

Wie reagiert man in so einem Moment? Lässt man die herablassende Umgangsweise einfach passieren und wehrt sich nicht, um schnellstmöglich aus der ganzen Situation zu flüchten? Oder geht man offensiv auf das Gegenüber zu und stellt diesen zur Rede? Beide Varianten kommen für mich keinem „besiegen“ der Situation nahe. Nach diesem „Erlebnis“ wusste ich einfach nicht, wie ich mich fühlen sollte. Unwohl, beschämt, unsicher sind nur kleine Auszüge aus meiner damaligen Gefühlswelt. Wer glaubt er eigentlich, wer er ist? Was erwartet er sich mit dieser Aktion? Bis heute habe ich noch keine, für mich passende, Antwort gefunden. Die Vorstellung, dass manche Männer glauben sie könnten mich wie ein Hund in ihr Auto pfeifen, ist mir einfach zuwider.

Wo beginnt sexuelle Belästigung und hört es irgendwann auf?

Jeder hat seine eigene Definition, wo diese Form von Belästigung beginnt. Irgendwo waren die meisten von uns schon mal davon betroffen – egal welches Geschlecht oder sexuelle Orientierung. Für mich beginnt es bei einem unpassenden Blick. Es beginnt bei dem Gefühl, bei welchen ich einfach aus meinem Körper flüchten möchte. Das Traurige an der Sache: es wird nicht aufhören. Wir müssen lernen, egal ob Mann, Frau oder alles, was dazwischen liegt, dass solche Situationen nicht überhandnehmen dürfen. Drei Viertel der Frauen, also 74,2 %, haben diese Form von Belästigung schon einmal erfahren, zeigt eine Studie. Von knapp 30 % wurde diese Art von Übergriff als bedrohlich empfunden. Viel zu viele Personen werden tagtäglich in solche Situationen gebracht. Es muss einen Umgang geben, der zu verstehen gibt, dass der Täter seine Machtposition nicht ausnutzen darf und damit einfach nicht durchkommt.

Die richtige Strategie

Es gibt kein richtig oder falsch. Was aber jeder tun sollte: such dir Hilfe. Lassen wir die Diskussion nicht langsam verstummen. Red mit Freunden darüber und erzähl von deiner Geschichte. Wir müssen das Bewusstsein dafür am Leben erhalten, dass „Catcalling“ nichts ist, was einfach passiert. Seien wir uns bewusst, dass es kein Kompliment oder Versuch ist, einen Flirt zu starten. Keineswegs charmant und zu akzeptieren, dafür sollte es keinen Platz in unserer Gesellschaft geben.