In einem ersten Interview spricht Musiker Travis Scott offen über die Massenpanik bei seinem Astroworld-Festival, bei dem zehn Menschen ums Leben kamen. Die Schuld an der Tragödie sieht er jedoch nicht bei sich – ganz zum Ärger einiger Fans.

Denn viele hatten gehofft, dass Travis Scott Verantwortung übernimmt.

Etwa 1.500 Klagen wegen Astroworld-Massenpanik

Die Anschuldigungen gegen Travis Scott sind schwerwiegend. Denn die Besucherinnen und Besucher seines Astroworld-Festivals werfen ihm Fahrlässigkeit vor. Fahrlässigkeit, die zu einer Massenpanik während seiner Show führte und letztendlich zehn Menschen das Leben kostete.

In den vergangenen Wochen wurde die Kritik an Scott und den Veranstaltern des Festivals immer lauter. Mehr als 1.500 Klagen wurden mittlerweile eingereicht, die Schadenersatz-Forderungen liegen bei rund zehn Milliarden US-Dollar.

Scott äußerte sich bisher nur zaghaft zu dem Vorfall, sprach kurz nach Bekanntwerden der Tragödie in einer Instagram-Story, in der er betonte, dass er „am Boden zerstört“ sei und sein Beileid ausdrückte.

In einem Interview mit Charlamagne Tha God spricht er jetzt erstmals ausführlich über die Vorfälle – ein Gespräch, das nicht nur viele Anwesende des Festivals, sondern auch unzählige Fans des Rappers seit Wochen erwarten.

Travis Scott wusste nichts von den Ausmaßen der Panik

In dem Gespräch erklärt Scott, dass er erst nach dem Konzert erfahren habe, welche Ausmaße die Massenpanik angenommen hatte. Denn während seinem Auftritt war er von der Musik, den Lichtern und den zahlreichen pyrotechnischen Elementen seines Auftritts abgelenkt, beteuert er. Die Hilferufe von vielen Besucherinnen und Besuchern, die in zahlreichen Videos des Festivals zu hören sind, habe Scott auch deshalb nicht wahrgenommen. „Alles klingt irgendwie gleich. Am Ende des Tages hört man einfach nur Musik“. Einige Male, als ihm jedoch sehr wohl etwas aufgefallen war, unterbrach er das Konzert, betont Scott.

Bis kurz vor der Pressekonferenz war ihm jedoch nicht klar, dass bei dem Konzert Menschen gestorben waren. „Leute werden ohnmächtig, diese Dinge passieren bei Konzerten – aber so etwas?“, erklärt er.

Travis Scott: „Als Künstler macht man einfach das Kreative.“

Nachdem Scott bei vergangenen Konzerten immer wieder zum „ragen“ aufgefordert hatte und Aktionen wie Moshpits und wildes Durcheinander bei seinen Konzerten befürwortete, wurde er von vielen für die Massenpanik verantwortlich gemacht. Eine Schuldzuweisung, die Scott in dem Interview klar von sich weist. Denn sein Ziel sei es stets gewesen, ein sicheres Umfeld zu schaffen.

„Wir als Künstler vertrauen auf Profis, wenn etwas passiert, damit die Leute sicher gehen können. Und dieser Abend war, was die Energie angeht, wie eine ganz normale Show, wie ich finde. Es fühlte sich nicht so an, als ob die Leute nur gekommen wären, um Schaden anzurichten“, sagt er.

Obwohl Astroworld sein Festival ist, sieht Scott seine Verantwortung ausschließlich im kreativen Prozess. „Als Künstler macht man einfach das Kreative. Da es mein Festival ist, habe ich Künstler engagiert und es kreativ produziert. Wir vertrauen einfach darauf, dass die Profis dafür sorgen, dass sich die Leute wohlfühlen“, sagte Scott. „Ich kann kontrollieren, was ich auf der Bühne tun kann, und die Profis kontrollieren, was sie in der Menge tun können.“

Viel Kritik für Scotts Aussagen

Scott sei jetzt wichtig, den Grund für die Massenpanik zu finden. „Ich habe die Verantwortung, herauszufinden, was hier passiert ist, die Verantwortung, eine Lösung zu finden, und hoffentlich ist dies ein erster Schritt, damit wir als Künstler mehr Einsicht in das Geschehen haben.“ Die Familien der Opfer habe er kontaktiert, worüber genau gesprochen wurde möchte Scott aber nicht besprechen.

Dass die Familien und Hinterbliebenen ihm möglicherweise nie verzeihen werden, beschreibt Scott als „hart“ und „wirklich schwer“. Er wünsche sich einfach, dass alle wissen, dass es nicht seine Absicht war, Menschen zu schaden, beteuert er. „Es ging nicht darum, mir zu schaden, es ging nicht um eine Show. Ich wollte, dass sie sich amüsieren, und es ist einfach tragisch, dass es nicht so gekommen ist.“

Worte, die bei vielen auf Verständnis stoßen, bei einigen jedoch auch für Ärger sorgen. Denn online kritisieren viele, dass sich Scott derart aus der Verantwortung zieht. Auf Twitter schreibt ein Nutzer etwa: „Er klingt ehrlich gesagt nicht reumütig. Er hört sich an, als hätte er die Kommentare der Leute gelesen, die ihn verteidigt haben und benutzt diese Worte.“ Auf YouTube kommentiert ein Nutzer hingegen: „Dies ist kein Interview. Das sind Aussagen, die von seinem Anwaltsteam vorbereitet wurden, um die Schuld von sich zu weisen.“

Auch Anwälte der Familie von Todesopfern nehmen Stellung zu dem Interview. „Wenn man sich Herrn Scotts Interview genau ansieht, wird deutlich, dass er und andere sich der potenziellen Sicherheitsrisiken dieses Konzerts und der katastrophalen Mängel, die zu diesen schrecklichen Todesfällen und Verletzungen geführt haben, durchaus bewusst waren“, sagt etwa der Anwalt Robert C. Hilliard. Ein weiterer Anwalt bezeichnet Scotts Aussagen währenddessen als Ausreden und betont: „Ausreden lindern nicht ihre Trauer und ihren Schmerz.“