Wir klicken bei Facebook-Veranstaltungen auf „interessiert“, gehen dann aber doch nie hin. Wir positionieren uns auf Social Media, stehen dann aber im echten Leben doch nicht so für unsere Werte ein, wie wir es online tun würden. Sind wir die Generation geworden, die sich auf ihren Prinzipien und ihrer Solidarität ausruht?

Die Millennials werden als Generation ja immer ganz schön an den Pranger gestellt: Wir sind unselbstständig, kommunikationsunfähig und haben schlechten Sex – um nur ein paar Vorwürfe aufzuzählen. Unter anderem wird uns auch nachgesagt, wir würden uns auf unseren Prinzipien und unserer Solidarität ausruhen. Kurz: Wir sind widerstandsfaul. Offen und tolerant? Ja, sicher! Aktiv für fundamentale Rechte kämpfen? Ähm, eh…

Digitalisierter Aktivismus?

Solidarisch zu sein und Prinzipien zu haben ist gut – aktiv dafür einzustehen ist besser: In diesem Fall sind sich die Jugendkulturforscherin Beate Großegger und die Studentin Laura Fellerer einig. „Wichtig ist, dass möglichst viele Leute in unserer Gesellschaft aktiv sind. Das gilt für Jung und Alt“, sagt Großegger. „Es ist wichtig, gegen diese Regierung auf die Straße zu gehen. Es ist wichtig, dass wir viele sind, dass wir sichtbar sind, dass wir laut und gemeinsam stark sind“, sagt Laura, die als eine der Organisatorinnen der Donnerstagsdemos mitwirkt. Damit sind beide im Recht. Nur ist es so, dass wie fast alles heute auch der Aktivismus ins Internet verlegt wird. Müssen wir uns also nicht eigentlich fragen, was das mit unserer Widerstandsleistung macht? Wie nachhaltig der Internetaktivismus unsere Gesellschaft beeinflusst? Und: ob wir dadurch nicht noch demonstrationsfauler werden, als es uns Österreicherinnen und Österreichern ohnehin schon nachgesagt wird?

 

Lässt die Leistungsgesellschaft grüßen?

Es stimmt schon: Wenn man das große Ganze betrachtet, dann sind Aktivisten rar in unserer Generation – oder eben nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen, wenn politische Statements in Form von Likes oder Instagram-Captions daherkommen.Warum das so ist, weiß die Jugendkulturforscherin: „Für große Utopien fehlen dieser Generation Zeit, Energie und wohl auch das gewisse Maß an Leidenschaft, die ein Motor für visionäres Denken ist.“ Wir wurden nun mal in eine Leistungsgesellschaft hineingeboren, die mal mehr, mal weniger Druck auf jeden Einzelnen ausübt. Wir sind mit anderen Chancen ausgestattet, als unsere Eltern es waren. Politische Themen wie soziale Gerechtigkeit interessieren uns, aber genauso interessiert uns, wie wir unsere eigene Existenz sichern, um idealerweise ein gutes Leben zu führen. Kurz: Wir sind die Generation der Verunsicherung. Und diese Verunsicherung hat laut Großegger Ausprägungen. Eine dieser Ausprägungen ist, dass wir uns zuerst um uns selbst kümmern – was instinktiv ja das einzig Richtige ist. Nur wirkt sich das dann auch auf unsere politischen Erwartungen aus. Beate Großegger erklärt, dass es uns „weniger um weltanschauliche Grundsatzfragen“ und mehr um „für den persönlichen Lebensvollzug relevante Sachpolitik“ geht. Simpel ausgedrückt: Es interessiert uns vor allem das, was uns selbst auch betrifft. Aber gäbe es nicht genug Gründe, die uns selbst betreffen, für die wir auf die Straße gehen könnten?

Gibt es noch Utopisten?

Für Laura Fellerer gibt es genug Gründe, regelmäßig zu demonstrieren. Sie ist eine der vielen Organisatorinnen und Organisatoren hinter den Donnerstagsdemos. Schon vor der Angelobung der Regierung wusste sie, dass sie etwas unternehmen muss. Mittlerweile ist der Donnerstag wie eine Droge für sie. „Die Donnerstage sind ein Energizer: Wir motivieren uns alle gegenseitig, wir sind nicht alleine, wir sind alle unzufrieden mit dieser Regierung. Dieses wöchentliche Zusammensein gibt mir unglaublich viel Kraft.“

Dieses wöchentliche Zusammensein gibt mir unglaublich viel Kraft.

Bei wiederdonnerstag (so nennt sich die Gruppe der Organisatoren auf ihren Social-Media- Kanälen) ist das Internet Mittel zum Zweck. Der Aktivismus wird nicht ins Internet verlegt, sondern damit gepusht. Laura meint, dass es zwar auch unglaublich wichtig sei, sich über soziale Netzwerke politisch zu positionieren – aber getan sei es damit noch nicht: „Minimaler Widerstand ist einfach nicht genug.“ Deshalb empfiehlt sie allen Interessierten, einfach auf die Demos zu kommen, sich zu vernetzen, Neues mitzunehmen und vor allem Spaß zu haben: „Widerstand sollte kein Job sein, sondern Spaß machen – und das tut’s bei den Donnerstagsdemos total!“ Auch die Tatsache, dass wir Millennials uns lieber um die Dinge kümmern, die uns betreffen, geht an der Organisation nicht vorbei. Jeden Donnerstag wird jenen Menschen eine Bühne geboten, die von den Handlungen der Politik betroffen sind. „Klarerweise kommen dann auch Leute, die sich damit solidarisieren“, sagt die Studentin. Es gibt also eine immer größer werdende Gruppe an Menschen, die sich zusammentun, um Widerstand zu leisten. Aber wie sieht das aus, wenn man die breite Masse betrachtet?

Widerstand?

Um auf die Ausgangsfragen zurückzukommen: Macht uns das Internet wirklich widerstandsfauler? „Aufs Große und Ganze bezogen ist in unserer Generation generell wenig Raum für nachhaltiges solidarisches Handeln“, so Großegger. Aber Schuld daran trägt nicht das Internet – wenn man es als Mittel zum Zweck verwendet. Fakt ist, dass sich nur dann etwas ändert, wenn wir auch aktiv für unsere Prinzipien einstehen und für unsere Rechte kämpfen – auch, wenn man sich manchmal fragt, ob das denn 2019 noch sein muss. Denn: Alle sind in unserer Solidaritätsblase noch nicht angekommen.

Für nachhaltig solidarisches Handeln ist in der Generation wenig Platz.

Eines noch: Wie ist das jetzt mit diesem „Interessiert“- Button auf Facebook? Nun ja, Großegger sagt, es sei nur logisch, dass wir da gerne draufklicken: „Es geht schnell und einfach, verpflichtet zu nichts. Trotzdem macht man ein smartes Statement, ohne wirklich etwas investieren zu müssen.“ Und ob wir wirklich widerstandsfaul geworden sind? Das kann man so pauschalisiert zwar nicht beantworten, aber eines steht fest: Am Donnerstag um 18 Uhr haben sich dann doch immer mehr Menschen zusammengefunden, als die Anzahl jener, die auf Facebook zugesagt haben. Und jedesmal hieß es: „Wir sind jetzt zusammen!“

Was ist jetzt mit Donnerstag?

  • Anfang der 2000er sind die Donnerstagsdemos schon durch Wien gezogen, seit mehreren Monaten tun sie das wieder. Der Auslöser: beide Male eine schwarzblaue Regierung.
  • Tausende Menschen gehen auf die Straße, um gegen Sexismus, Rassismus und den Rechtsruck in der Gesellschaft zu protestieren.
  • Was nun? Die schwarzblaue Regierung ist weg, aber die Donnerstagsdemos sind noch nicht vorbei. Den Sommer über wird zwar nicht jeden Donnerstag gemeinsam demonstriert, aber im Falle eines Falles is Do! wieder an Ort und Stelle. „Wir sind im Sommer zwar nicht jeden Donnerstag auf der Straße zu sehen, aber wir gehen, bis sich etwas ändert. Wir bleiben fix zusammen!“, erklärt Mitorganisatorin Laura.
  • Wer mehr Infos haben will: wiederdonnerstag.at