Sie war die Favoritin von US-Präsident Donald Trump: Die konservative Richterin Amy Coney Barrett wurde wie erwartet an den Obersten Gerichtshof in den USA berufen. Sie ersetzt die verstorbene Ruth Bader Ginsburg.

Barrett gilt als Abtreibungsgegnerin. Die siebenfache Mutter steht im Verdacht, sich an der Demontage des vor fast 50 Jahren begründeten Rechts auf Abtreibung beteiligen zu wollen, falls der Supreme Court die Angelegenheit aufgreifen sollte. Sie selbst bestreitet das.

Erfolg für Donald Trump

Eine Woche vor den Präsidentschaftswahlen verbuchte Donald Trump nun einen großen Erfolg. Der Senat bestätigte die Berufung der konservativen Richterin Amy Coney Barrett zum Obersten Gerichtshof in den USA. Die Entscheidung fiel mit den Stimmen von 52 republikanischen Mitgliedern des Senats, die 47 Demokraten und eine Republikanerin stimmten dagegen. Mit Barrett bekommen die Konservativen am Supreme Court die dominierende Mehrheit von sechs der neun Sitze. Das könnte die Entwicklung der US-Gesellschaft auf Jahrzehnte beeinflussen. Die Richter am Obersten Gerichtshof in den USA haben oftmals das letzte Wort in kontroversen Fällen, unter anderem zum Recht auf Abtreibung, zur Gesundheitsversorgung und zur Einwanderungspolitik.

Barrett nimmt den Platz ein, der durch den Tod der Richterin Ruth Bader Ginsburg frei geworden war. Ginsburg wurde – anders als Barrett – dem linken Flügel zugeordnet. Sie setzte sich während ihrer Karriere immer wieder für Frauenrechte ein und gilt seit Jahren als Ikone der Frauenrechtsbewegung.

Amy Coney Barrett auf Lebenszeit an den Obersten Gerichtshof berufen

Durch die Bestellung der 48-jährigen Amy Coney Barrett entsteht am Supreme Court eine strukturelle 6:3-Mehrheit zugunsten konservativer Verfassungsauslegung. Die Richterin wurde am 26. Oktober im Weißen Haus in einer live im Fernsehen übertragenen Feierstunde im Beisein von Präsident Donald Trump durch Richter-Kollegen Clarence Thomas vereidigt. Sie kann ab sofort arbeiten und ist auf Lebenszeit bestellt. Durch ihren Job kann sie nun unter anderem am 10. November in ein hochkontroverses Klageverfahren eingreifen, das einen Eckpfeiler der Gesundheitsreform von Trumps Vorgänger Barack Obama einreißen und potenziell 20 Millionen Amerikaner um ihren Versicherungsschutz im Krankheitsfall bringen könnte. 

Aufgrund ihrer kontroversen Einstellung stimmten die Demokraten geschlossen gegen die Berufung von Barrett. Sie hatten, allen voran Präsidentschaftskandidat Joe Biden, mit der Umfragen-Mehrheit der Bevölkerung im Rücken verlangt, dass die Entscheidung dem neu zusammengesetzten Senat nach der Präsidentschaftswahl am 3. November vorbehalten bleiben soll. Das war jedoch vergeblich.

Proteste gegen Barrett

Schon letzte Woche hatten zehntausende Menschen in Washington gegen die Berufung der konservativen Richterin demonstriert. Denn die siebenfache Mutter steht im Verdacht, sich an der Demontage des vor fast 50 Jahren begründeten Rechts auf Abtreibung beteiligen zu wollen, falls der Supreme Court die Angelegenheit aufgreifen sollte. Sie selbst bestreitet das allerdings. Das Recht auf Abtreibung in den USA begründet übrigens auf der Grundsatzentscheidung „Roe v. Wade“, also „Roe gegen Wade“ am 22. Jänner 1973. Das Jahrhundert-Urteil in diesem Fall befand die meisten damals bestehenden Gesetze bezüglich Schwangerschaftsabbruchs als Verletzung des Rechts auf Privatsphäre und des Postulates der Rechtssicherheit. „Roe v. Wade“ findet heute noch immer große Zustimmung in der amerikanischen Bevölkerung.

Religiöse Gruppen und Kirchen fordern dagegen die Aufhebung. Barrett gehört übrigens angeblich der Katholischen Kirche der ultrakonservativen „People of Praise”-Bewegung an, die eine strenge hierarchische Ordnung gutheißt, in der Männer Frauen religiös grundierte Vorschriften machen dürfen. 

“People of Praise” oder “Handmaid’s Tale”?

Sie werden eingesetzt, um Kinder zu gebären. Sie haben keine Rechte und dürfen nicht einmal lesen. Den Männern müssen sie gehorchen. Das ist die Beschreibung der Rolle von Frauen in der erfolgreichen Hulu-Serie „The Handmaid’s Tale“, die von einer dystopischen Gesellschaft handelt. Wie die New York Times 2017 berichtet, soll Amy Coney Barrett Mitglied einer kleinen, religiösen Organisation namens „People of Praisesein, die ähnliche Ansichten vertritt wie die Protagonisten der TV-Serie. Die Mitglieder schwören einander lebenslangen Gehorsam, sie leben entweder in Familien oder in Gruppen bestehend aus männlichen beziehungsweise weiblichen Singles. Manchmal lebt ein Single auch mit einer nicht mit ihm Verwandten Familie zusammen.

Jedes Mitglied hat zudem einen sogenannten „Head“, also einen Anführer. Der „Head“ von Ehefrauen ist ihr Mann. Sie schwören ihm Gehorsam. Single-Frauen werden einem sogenannten „Woman-Leader“, einer weiblichen Anführerin unterstellt. Das skurrile: Früher lautete die Bezeichnung für diesen Posten „Handmaid„, angelehnt an die biblische Maria, die Mutter von Jesus. Diesen Namen änderte die Gruppierung aber als das Buch „The Handmaid’s Tale“ von Margaret Atwood erschien, auf dem auch die gleichnamige Hulu-Serie basiert. Ob Amy Coney Barrett tatsächlich bei dieser obskuren Gruppierung Mitglied ist, bestätigte sie bisher aber noch nicht.