Der Storchschnabel im Portrait: Ein robuster Allrounder für jede Jahreszeit

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Obwohl der Kalender bereits Dezember anzeigt und die Tage merklich kürzer werden, ist für ambitionierte Gärtner noch lange kein Stillstand angesagt. Gerade jetzt bietet sich eine hervorragende Gelegenheit, den Grundstein für eine blühende Vielfalt im kommenden Jahr zu legen. Im Mittelpunkt steht dabei eine Pflanze, die auf allen Kontinenten beheimatet ist und hierzulande oft unterschätzt wird: der Storchschnabel, botanisch Geranium.

Ein botanisches Missverständnis

Zunächst gilt es, mit einem weit verbreiteten Irrtum aufzuräumen. Was landläufig auf den Balkonen als „Geranie“ bezeichnet wird, ist botanisch gesehen eigentlich eine Pelargonie. Die einzige Gemeinsamkeit dieser beiden Gattungen ist ihre Zugehörigkeit zur Familie der Storchschnabelgewächse (Geraniaceae). Der echte Storchschnabel hingegen ist eine extrem widerstandsfähige Staude, die seit Jahrhunderten als Zierpflanze kultiviert wird und mit ihren Pelargonien-Verwandten, die oft nicht winterhart sind, wenig gemein hat.

Strategische Aussaat im Winter

Wer glaubt, die Pflanzsaison sei vorbei, irrt gewaltig. Der Dezember ist der ideale Zeitpunkt für die Aussaat des Storchschnabels im Freiland. Da es sich bei diesen Stauden um Kaltkeimer handelt, benötigen die Samen eine sogenannte Stratifikation. Um die Keimruhe zu durchbrechen, sind Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt erforderlich – idealerweise zwischen einem und fünf Grad Celsius. Anstatt die Samen künstlich im Kühlschrank vorzubereiten, lässt man einfach die Natur die Arbeit erledigen.

Eine Aussaat direkt im Beet erspart nicht nur Aufwand, sondern sorgt auch für robustere Keimlinge, die von Anfang an an das lokale Klima akklimatisiert sind. Sollte der Boden bereits gefroren sein, bietet sich eine „Winter-Kinderstube“ in Töpfen an. Hierfür füllt man kleine Gefäße mit Anzuchterde, bedeckt die Samen nur leicht mit Substrat oder Vermiculit und stellt sie an einen geschützten Ort im Freien, etwa in ein Frühbeet. Wichtig ist, dass die Erde mäßig feucht bleibt, ohne dass Staunässe entsteht.

Vielfalt für jeden Standort

Einer der größten Vorzüge des Geranium ist seine enorme Anpassungsfähigkeit. Mit mehreren hundert Arten findet sich für beinahe jeden Winkel des Gartens die passende Sorte. Während manche Arten wie der Waldstorchschnabel (Geranium sylvaticum) oder der Braune Storchschnabel (Geranium phaeum) im lichten bis feuchten Schatten gedeihen, bevorzugen andere die pralle Sonne.

Für trockene und sonnige Standorte eignen sich beispielsweise der Blutstorchschnabel (Geranium sanguineum) oder der Graue Storchschnabel (Geranium cinereum). Selbst im trockenen Schatten, oft eine Problemzone im Garten, bewähren sich der Balkan-Storchschnabel (Geranium macrorrhizum) und der Knotige Storchschnabel. Diese Varianten breiten sich zudem rasch über Ausläufer aus und fungieren als effiziente Bodendecker, die Unkraut zuverlässig unterdrücken. Wer eine dichte Pflanzendecke anstrebt, sollte etwa sieben bis neun Pflanzen pro Quadratmeter setzen.

Pflegeleicht und resistent

Der Storchschnabel gilt als ausgesprochen pflegeleicht. Er ist robust gegenüber den meisten Krankheiten und Schädlingen; selbst Nacktschnecken machen in der Regel einen großen Bogen um ihn. Die Ansprüche an den Boden sind meist bescheiden: Ein mäßig feuchter, nährstoffreicher und durchlässiger Untergrund wird bevorzugt, wobei viele Sorten auch Trockenperioden gut überstehen.

Bei geschickter Kombination verschiedener Arten lässt sich die Blütezeit im Garten von März bis in den Oktober hinein verlängern. Während die im Winter ausgesäten Pflanzen im ersten Jahr meist nur bescheiden blühen, darf man sich im zweiten Jahr auf eine explodierende Farbenpracht freuen. Neben den Blüten, die oft in Violett, aber auch in Weiß, Pink oder Rot erscheinen, bestechen viele Sorten im Herbst durch eine spektakuläre Laubfärbung.

Vermehrung und Besonderheiten

Neben der Aussaat lassen sich horstig wachsende Arten auch vegetativ vermehren. Das Frühjahr ist der ideale Zeitpunkt, um Wurzelstöcke älterer Pflanzen zu teilen. Dabei werden Teilstücke der Rhizome abgeschnitten und senkrecht, dicht unter der Erdoberfläche, wieder eingegraben. Bereits nach wenigen Wochen zeigen sich oft die ersten neuen Triebe. Für Liebhaber ist die Sorte „Rozanne“ interessant – eine Hybride, die als phänomenaler Dauerblüher gilt, jedoch keine Ausläufer bildet.

Unter Sammlern genießt die Gattung einen hohen Stellenwert. Während gängige Sorten wie „Spessart“ schon für kleines Geld zu haben sind, werden Raritäten wie Geranium endressii ‚Zermatt‘ mit bis zu 80 Euro pro Topf gehandelt. Und woher der Name rührt, offenbart sich spätestens nach der Blüte: Die länglichen Fruchtstände erinnern verblüffend an den Schnabel eines Storches.